Eine Insel ist ein umgrenzter Ort,
eine spannungsgeladene Schwelle zwischen Himmel und Meer, Land und Licht. Im
Westen Irlands herrscht wundervolles Licht. Das gemeine Einverständnis von
Wolken, Regen, Licht und Landschaft birgt immer neue Überraschungen. Im Verlauf
eines einzigen Morgens können draußen vor dem Fenster völlig verschiedene
Landschaften auftauchen. Hin und wieder herrscht dichte Dunkelheit, dann reißt
vielleicht die Wolkendecke auf, und plötzlich verleiht ein einzelner
Lichtstrahl selbst einem Steinhaufen rätselhafte Präsenz. Oder das Licht spielt
mit dem ernsten Antlitz eines Berges und verziert es mit einem bizarren
Schattenmuster. Manchmal scheint es die Morgendämmerung sehr eilig zu haben,
damit das Licht endlich hervorbrechen und mit der stillen Landschaft spielen
kann.
Landschaften in diesem Licht sind
eine endlose Augenweide. Die Landschaft wellt und wölbt sich. Jeder Ort ist
buchstäblich anders, sticht klar gegen das Licht und den Ozean ab und ist von
kraftvoller, dauerhafter Individualität. Selbst die unberührtesten,
unwirtlichsten Landschaften besitzen Präsenz. Kein Mensch verweilte hier lang
genug, um Anspruch auf sie zu erheben oder sie zu zivilisieren. Sie verharren
in der Geborgenheit ihrer eigenen ursprünglichen Geschichte.
Solche Landschaften sind wilde
Heiligtümer, weil sie vollkommen in sich selbst ruhen und uns leise in ihr
Wissen und ihre Stille hineinziehen. Fast unmerklich weicht der inner Druck von
der Seele. Die Sinne werden besänftigt, und die inwendige Erde in uns wird von dieser uralten
Schönheit bewegt...."
John
O’ Donohue
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