Samstag, 31. Dezember 2022

Über die Brücke


 
Über die Brücke
hinüber ins neue Jahr
ein leises Adieu zurück
ein Winken ein Lächeln
ein Erinnern das dir bleibt
als Licht hinter der Trauer 

Annemarie Schnitt
 
💫💫💫💫💫💫💫💫

 

Ich wünsche Euch einen guten und heilen Start ins Neue Jahr! Bleibt gesund und zuversichtlich, auch wenn es nicht viel Grund dafür gibt in diesen schwierigen Zeiten. 
 
Gabriele 
 

Donnerstag, 29. Dezember 2022

Die Trauer Freund, macht meine Hände dumm

 


Die Trauer Freund, macht meine Hände dumm,
Wie soll ich aus dem schwarzen Blut der Grachten Kränze
winden?
Das Leid mein Freund, macht meine Kehle stumm,
Wo bist du Freund, ich muss dich wieder finden.

Die Tränen sterben mir, denn du bist tot,
Zerbrochne Gräber, scheinen mir die Sterne.
Es fließt, es fließt der Strom der großen Not
Aus jedem Grab der unerreichten Ferne.

Ich möchte einen Mantel weben aus dem Leid
Einsamer Stunden, kann man Tote noch beschenken?
Man kann nur dankbar sein für jede Stunde Zeit
die Gott noch gibt, um liebend zu gedenken.

Irmgard Keun
(Für Joseph Roth Ein Gedächnisbuch 1949)

Mittwoch, 28. Dezember 2022

do not

 

Do not love half lovers
Do not entertain half friends
Do not live half a life
and do not die a half death

If you choose silence, then be silent
When you speak, do so until you are finished
Do not silence yourself to say something
And do not speak to be silent

If you accept, then express it bluntly
Do not mask it
If you refuse then be clear about it
for an ambiguous refusal is but a weak acceptance

Do not accept half a solution
Do not believe half truths
Do not dream half a dream
Do not fantasize about half hopes

Half the way will get you no where
Half an idea will bear you no results

Half a life is a life you didn't live,
A word you have not said
A smile you postponed
A love you have not had
A friendship you did not know

The half is a mere moment of inability
but you are able for you are not half a being
You are a whole that exists to live a life
not half a life. 

~ Khalil Gibran ❤

Montag, 26. Dezember 2022

Fürchte dich nicht - Im Gedenken an Kai

 

Die Rose sagte:
Fürchte dich nicht
meine Blätter sind heute
ganz stabil
Kein Windstoß wird mich
vor deinen Augen
entblößen.

 Der Baum
atmet Vertrauen
und will daß ich mich anlehne.
Er sei bestimmt
nicht angehackt.

 Das Vogelei
auf der Astgabel
hält das Versprechen
der kleinen weißen Balance.
Es ruht stille im Wind
bis den bangen Augen im Dotter
ein Federbalg wächst,

 der auf den Zweig fliegt
und singt.

In: Hilde Domin: Rückkehr der Schiffe, 1962.


💫💫💫💫💫💫

Im Gedenken und in Erinnerung an Kai 💖 

In Gedanken bei Euch, liebe Claudia, lieber Bernd und allen, die heute voller Trauer und Schmerz um den Verlust von Kai sind.

In Verbundenheit Eure Gabi

Sonntag, 25. Dezember 2022

Weihnachten

 


Träume und Hoffnung
in gläserne Kugeln versteckt
dass ein Jahr ende im Licht
und neue Räume ausleuchte
dass im geheimen Glanz
verborgene Wünsche wachsen
dass sie warm aufblühen
als wären sie längst erfüllt

Annemarie Schnitt

Das Geheimnis der Weihnacht

 

 
Das Geheimnis der Weihnacht besteht darin,
dass wir auf der Suche nach dem 
Großen
und 
Außerordentlichen
auf das
Unscheinbare 
und 
Kleine 
hingewiesen werden

💫💫💫💫💫💫💫

Mit dem Foto der letzten Weihnachtskarte, die ich von Florian 1999 aus Irland bekam, wünsche ich Euch ein gesegnetes, behütetes und besinnliches Weihnachten. 

Gabriele

 

Wieder Weihnachten

 

 
 
Wieder Weihnachten 
und du 
zündest ein Licht
am Rande des Tages 
am Rande des Jahres 
auszuleuchten
die Wege weiter
wieder Weihnachten 
und du hälst an 
am geheimen Meilenstein
mitten im Raum

NN

Freitag, 23. Dezember 2022

Vögel mit Wurzeln

 

Meine Worte sind Vögel
mit Wurzeln

 immer tiefer
immer höher
Nabelschnur.

 Der Tag blaut aus
die Worte sind schlafen gegangen.

 

In: Hilde Domin: Hier. Gedichte, 1964 .

 

Montag, 19. Dezember 2022

Das Wachsen von Träumen


Das Wachsen von Träumen
macht Angst
als fehlten die Flügel
diese Mauern
zu überfliegen.

 Schrei nach
einer Hand, einer Tür,
aus Fleisch, aus Holz

 

In: Hilde Domin: Hier. Gedichte, 1964

 

Samstag, 17. Dezember 2022

Ich lege mich hin


Ich lege mich hin,

ich esse nicht und ich schlafe nicht,

ich gebe meinen Blumen

kein Wasser.

Es lohnt nicht den Finger zu heben.

Ich erwarte nichts.

Deine Stimme, die mich umarmt hat,

es ist viele Tage her,

ich habe jeden Tag

ein kleines Stück von ihr gegessen,

ich habe viele Tage

von ihr gelebt.

Bescheiden wie die Tiere der Armen

die am Wegrand

die schütteren Halme zupfen

und denen nichts gestreut wird.

So wenig, so viel

wie die Stimme,

die mich in den Arm nimmt,

musst du mir lassen.

Ich atme nicht

ohne die Stimme.

 

 Hilde Domin

 

Mittwoch, 14. Dezember 2022

Weil du nicht da bist




Weil du nicht da bist, sitze ich und schreibe
All meine Einsamkeit auf dies Papier.
Ein Fliederzweig schlägt an die Fensterscheibe.
Die Maiennacht ruft laut. Doch nicht nach mir.

Weil du nicht da bist, ist der Bäume Blühen,
Der Rosen Duft vergebliches Bemühen,
Der Nachtigallen Liebesmelodie
Nur in Musik gesetzte Ironie.

Weil du nicht da bist, flücht ich mich ins Dunkel.
Aus fremden Augen starrt die Stadt mich an
Mit grellem Licht und lärmendem Gefunkel,
Dem ich nicht folgen, nicht entgehen kann.

Hier unterm Dach sitz ich beim Lampenschimmer,
Den Herbst im Herzen, Winter im Gemüt.
November singt in mir sein graues Lied.
»Weil du nicht da bist«, flüstert es im Zimmer.

 MASCHA KALÉKO

Montag, 12. Dezember 2022

Stille


Kristalle in der Sonne

Vom Frost erstarrt

die Rose auf dem Grab

Wie Glas zerspringt die Blüte

 

Dem Eiswind zum Trotz

tanzt Leben auf den Totenhügeln

nach Klängen der Stille

die Schweigen füllt

 

Draußen braust Leben

rüttelt an Mauern

Der Friede hier ist tief

Könnt‘ ich ihn rübertragen

 

E. Ruhöfer