Mittwoch, 31. Dezember 2014

Neues Jahr


"Naher
fremder Mensch
Ich kenne nicht deine Geschichte
weiß nichts von deinen Sehnsüchten
spüre nur
du suchst
meine Nähe

Naher
fremder
Mensch
du trittst hervor
gehst auf mich zu
Zurückhaltung und Neugier
verpasste Gelegenheit
geglückte Begegnung

Spannungsbogen zwischen Menschen"



(Margot Bickel)


Euch und Ihnen allen ein gesundes Jahr 2015

Aus tiefstem Herzen wünsche ich Ihnen Stille und Lebendigkeit, Ziele zum Aufbrechen und Orte, an denen Sie anlanden können, und immer wieder gute Menschen, die gern mit Ihnen unterwegs sind, deren Gesellschaft Ihnen gut tut.
Gabriele 
mit Florian im Herzen

Dienstag, 30. Dezember 2014

Du fragst, was ist die Zeit?


Du fragst, was ist die Zeit? und was ist Ewigkeit?
Wo hebt sich Ew`ges an, und hebet auf die Zeit?
Die Zeit, sobald du sie aufhebst, ist aufgehoben,
Wo dich das Ewige zu sich erhebt nach oben.
Die Zeit ist nicht, es ist allein die Ewigkeit.
Die Ewigkeit allein ist ewig in der Zeit.
Sie ist das in der Zeit sich stets gebärende,
Als wahre Gegenwart die Zeit durchwährende,
Wo die Vergangenheit und Zukunft ist geschwunden
In Gegenwart, da hast du Ewigkeit empfunden.
Wo du Vergangenheit und Zukunft hast empfunden
Als Gegenwart, da ist die Ewigkeit gefunden.

 
 Friedrich Rückert, 1788-1866

Samstag, 27. Dezember 2014

Wenn


Wenn

 Rudyard Kipling "If" (deutsche Übersetzung von Anja Hauptmann)


Wenn du den Kopf behältst und alle anderen
verlieren ihn und sagen: Du bist schuld!
Wenn keiner dir mehr glaubt, nur du vertraust dir
und du erträgst ihr Misstrauen in Geduld
.
Und wenn du warten kannst und wirst nicht müde
und die dich hassen dennoch weiter liebst,
die dich belügen strafst du nicht mit Lüge
und dich trotz Weisheit nicht zu weise gibst
.
Wenn du dich nicht verlierst in deinen Träumen
und du nicht ziellos wirst in deinem Geist
wenn du Triumph und Niederlage hinnimmst,
beide Betrüger gleich willkommen heißt
.
Wenn du die Worte die du mal gesprochen
aus Narrenmäulern umgedreht vernimmst
und siehst dein Lebenswerk vor dir zerbrochen
und niederkniest, wenn du es neu beginnst
.
Setzt du deinen Gewinn auf eine Karte
und bist nicht traurig, wenn du ihn verlierst
und du beginnst noch einmal ganz von vorne
und sagst kein Wort was du dabei riskierst
.
Wenn du dein Herz bezwingst und alle Sinne
nur das zu tun was du von dir verlangst
auch wenn du glaubst es gibt nicht mehr da drinnen
außer dem Willen der dir sagt: Du kannst!
.
Wenn dich die Menge liebt und du noch du bleibst
wenn du den König und den Bettler ehrst
wenn dich nicht Feind noch Freund verletzen können
und du die Hilfe niemanden verwehrst
.
Wenn du in unverzeihlicher Minute
Sechzig Sekunden lang verzeihen kannst:
Dein ist die Welt - und alles was darin ist
Und was noch mehr ist - dann bist du ein Mensch!

If


If—

If you can keep your head when all about you  
    Are losing theirs and blaming it on you,  
If you can trust yourself when all men doubt you,
    But make allowance for their doubting too;  
If you can wait and not be tired by waiting,
    Or being lied about, don’t deal in lies,
Or being hated, don’t give way to hating,
    And yet don’t look too good, nor talk too wise:

If you can dream—and not make dreams your master;  
    If you can think—and not make thoughts your aim;  
If you can meet with Triumph and Disaster
    And treat those two impostors just the same;  
If you can bear to hear the truth you’ve spoken
    Twisted by knaves to make a trap for fools,
Or watch the things you gave your life to, broken,
    And stoop and build ’em up with worn-out tools:

If you can make one heap of all your winnings
    And risk it on one turn of pitch-and-toss,
And lose, and start again at your beginnings
    And never breathe a word about your loss;
If you can force your heart and nerve and sinew
    To serve your turn long after they are gone,  
And so hold on when there is nothing in you
    Except the Will which says to them: ‘Hold on!’

If you can talk with crowds and keep your virtue,  
    Or walk with Kings—nor lose the common touch,
If neither foes nor loving friends can hurt you,
    If all men count with you, but none too much;
If you can fill the unforgiving minute
    With sixty seconds’ worth of distance run,  
Yours is the Earth and everything that’s in it,  
    And—which is more—you’ll be a Man, my son!

 BY RUDYARD KIPLING
(‘Brother Square-Toes’—Rewards and Fairies)
Source: A Choice of Kipling's Verse (1943)

Bild: Andreas Zorn

Mittwoch, 24. Dezember 2014

I want my son....

 Auf der Suche nach Trost lesen wir in Florians Briefen... und dieser Brief ist einer seiner schönsten und berührendsten....Es gibt keinen Trost und vor allem Weihnachten ist so schwer wie nie zuvor!






Karte:  I want my mother“ und Brief

(ohne Datum – Florian verlässt Camphill und zieht nach Dublin)

Hallo, meine liebste Mom!

Es ist Donnerstag, 1.30 nachts und all die Aufregung über die bevorstehenden Veränderungen lassen mich einfach nicht schlafen. Ich sitze unten in meinem Zimmer und stöbere durch die Regale und neben mir füllen sich Kisten mit meinen Habseligkeiten.

Es geht plötzlich so schnell, ein wenig zu schnell!!

Geplant war ein sanfter Ausstieg aus Camphill – er wird nun in rasanter Form Realität.
So traurig auch alles ist, so glücklich bin ich andererseits. Ich gebe eine weitere Heimat auf, um eine neue zu entdecken.

So tief meine Wurzeln auch sind, auch sie lassen sich ausgraben und verpflanzen. Zwar habe ich gelernt, daß Verpflanzen sehr viel Vorsicht und Muße bedarf, aber wenn die Umstände nicht ideal sind, muß man sich eben sputen, den Baum schnell aus- und wieder einzugraben. Zwar ist die Wahrscheinlichkeit so höher, daß die Wurzeln so zu Schaden kommen, aber die Pflanze übersteht diesen Schmerz schnell und hat sich nach ein paar Tagen oder Wochen von diesem Schock erholt.

Ich hoffe, dieser Prozeß wird auch bei mir ähnlich verlaufen und der Schmerz läßt mich nicht daran hindern, die Qualität der neuen Umgebung genieße und schätzen zu lernen.

Ich werde wohl kaum die Häuser, die Farm etc. vermissen, als vielmehr all‘ die Clydes und Dereks. Sie haben mich gelehrt, verantwortungsvoll, einfühlsam und in gewisser Weise selbstlos zu sein.  Von ihnen habe ich auch gelernt, wie wenig man braucht, um glücklich zu sein. Und ich konnte ihnen helfen, ihr Glück und ihre individuellen Qualitäten mehr zur Entfaltung zu bringen. Ich habe gelernt zu geben – nicht weil ich mußte, sondern weil sie es brauchten. All die Specials haben mir gezeigt, wer ich bin, mehr geholfen, mich zu finden. Ich glaube, ich weiß jetzt, wer ich bin, kenne meine Stärken und Schwächen. Ich verdanke ihnen so viel und es macht mich unendlich traurig, all dies hinter mir zu lassen. Well, aus Beewee wird wohl allmählich wieder Florian!

Tja, jetzt sitze ich hier, mitten in der Nacht, und wieder kommt in mir dieses Gefühl von endloser Leere auf. Das selbe Gefühl hatte ich vor fast drei Jahren. Damals bestieg ich das Flugzeug, um meine Heimat zu verlassen. Ich saß da, über den Wolken, in die Ferne starrend und habe mich meinem Schicksal übergeben. Heute weiß ich, daß es die beste Entscheidung meines Lebens war und hoffe, daß ich das selbe in ein paar Jahren auch über meine momentane Situation sagen kann.
 
Und heute ist die Ausgangsbasis ja eigentlich sogar besser. Damals habe ich mich gegen eine gefestigte Zukunft entscheiden, heute entscheide ich mich für sie – so hoffe ich jedenfalls. Der Vorteil damals war, daß ich ausschließlich für mich gehandelt habe, heute ist auch ein großer Schuß uns im Spiel. Aber ich habe hier ja gelernt, für uns verantwortlich zu sein und für uns zu handeln, ohne mich dabei zu vergessen und zu übersehen.

Für alles gibt es eben eine Zeit. Ich mußte mir vielleicht erst einmal gewisse Dinge aneignen, um einen weiteren Schritt machen zu können. Jetzt bin ich bereit, auch wenn Abschied immer schmerzt!

Das Gute ist, daß ich auf meiner Reise nie meinen Heimathafen vergesse und weiß, daß ich jeder Zeit umkehren kann. Du hast mir den Kompaß mit auf den Weg gegeben und ich habe hier gelernt, ihn anzuwenden. Jetzt ist es Zeit, daß ich ihn benutze, und meine Reise fortsetze. Die Richtung ist mir bekannt, aber die Riffe und Felsen werde ich erst finden, wenn sie vor mir liegen.


I love you und danke Dir für all die Hilfe!

Dein „Sony“ Florian

Seht nur ...



*
Seht nur
es lächelt *
lächelt noch immer *
zärtlich das Licht: *
lächelt *
aus all dem, *
was am zerbrechlichsten ist. *
*
Isabella Schneider





..... Heute abend erfahre ich wieder, wie sich 
Untröstlichkeit anfühlt... 


  „Wie konntest Du mich hier zurücklassen in solcher
   Hoffnungslosigkeit, in so viel Wut, in dieser Ohnmacht,
   in diesem Schmerz, der mich packt und mich zerfetzt !“