Montag, 27. April 2015

Die letzten Tage von Rabbit Hayes


Erst wenn das Schlimmste eintritt, weißt du, wer dich liebt.
Stell dir vor, du hast nur noch neun Tage. Neun Tage, um über die Flüche deiner Mutter zu lachen. Um die Hand deines Vaters zu halten (wenn er dich lässt). Und deiner Schwester durch ihr Familienchaos zu helfen. Um deinem Bruder den Weg zurück in die Familie zu bahnen. Nur neun Tage, um Abschied zu nehmen von deiner Tochter, die noch nicht weiß, dass du nun gehen wirst ...
Die Geschichte von Rabbit Hayes: ungeheuer traurig. Ungeheuer tröstlich. 

Anna McPartlin ist mit ihrem Buch „Die letzten Tage von Rabbit Hayes“ eine bemerkenswerte Gratwanderung eingegangen: Sie hat es geschafft, das Sterben zu thematisieren, ohne in Trauer oder Kitsch zu versinken, denn immer wieder gibt es offenen oder versteckten Humor in der Geschichte, so dass man stets mit einem lachenden und einem weinenden Auge liest.
Auch wenn Rabbit Hayes bei der Geschichte im Mittelpunkt steht, den größten Anteil der Handlung macht ihre liebenswert chaotische Familie aus. Denn darum ging es der Autorin wohl: zu Zeigen, was der bevorstehende Tod eines geliebten Menschen mit den Angehörigen macht.
Da sind zum einen Rabbits Eltern Jack und Molly, die alle Möglichkeiten ausschöpfen wollen, ob Versuchsreihen oder Wunderheiler, um ihre Tochter noch zu retten. Ihre Schwester Grace, die mit einer Bande Teenager-Söhne alle Hände voll zu tun hat, Rabbits Bruder Davey, der die Schule abgebrochen hat und mit einer Countrysängerin durch Amerika tourt und vor allem ihre Tochter Juliet, die sehr viel Verantwortung für ihre Mutter übernommen hat, seitdem diese vor vier Jahren mit Brustkrebs diagnostiziert wurde.
Jeder Charakter erzählt von heutigen oder vergangenen Ereignissen aus seiner Sichtweise, so dass nach und nach ein vielfältiges und berührendes Portrait von Rabbit und der Familie Hayes steht. Vor allem Mutter Molly, die Kämpferin und der Zusammenhalt der Familie ist ein starker Frauencharakter.
Allen Charakteren wohnt eine große Authentizität und Menschlichkeit inne, die Dialoge sind lebensnah decken die Bandbreite von spritzig bis gefühlvoll ab. Auch wenn man das Ende ahnt, möchte man immer weiter lesen.
Da es hier um eine irische Familie geht, spielt auch der Glauben eine Rolle. Hier geraten vor allem Atheistin Rabbit und ihre gläubige Mutter aneinander. Ob etwas nach dem Tod kommt oder ob einem der Glaube dabei hilft, dem Ende entgegen zu sehen, das lässt Anna McPartlin für den Leser offen. Jede Ansichtsweise wird ohne Wertung dargelegt.
In den Rückblenden erfährt man hauptsächlich von Johnny Faye und seiner Band „Kitchen Sink“, die in der Garage der Hayes' probten und von der Beziehung zwischen Sänger Johnny und Rabbit. Aus Freundschaft wird Liebe, doch ihre Geschichte endet tragisch. Diese zweite Handlung stimmte mich meist noch trauriger als Rabbits Sterben.
Bei aller Traurigkeit zeigt „Die letzten Tage von Rabbit Hayes“ viel Menschlichkeit und macht Hoffnung und Zuversicht auf das Leben. Denn das Eine geht nicht ohne das Andere.

Sonntag, 26. April 2015

Wenn ....


Wenn meinen Worten die Silben ausfallen vor Müdigkeit
und auf der Schreibmaschine die dummen Fehler beginnen
wenn ich einschlafen will
und nicht mehr wachen zur täglichen Trauer
um das was geschieht in der Welt
und was ich nicht verhindern kann
beginnt da und dort ein Wort sich zu putzen und leise zu summen
und ein halber Gedanke kämmt sich und sucht einen anderen
der vielleicht eben noch an etwas gewürgt hat
was er nicht schlucken konnte
doch jetzt sich umsieht
und den halben Gedanken an der Hand nimmt und sagt zu ihm:
Komm
Und dann fliegen einigen von den müden Worten
und einige Tippfehler die über sich selber lachen
mit oder ohne die halben und ganzen Gedanken
aus dem Londoner Elend über Meer und Flachland und Berge
immer wieder hinüber zur selben Stelle
Und morgens wenn du die Stufen hinuntergehst durch den Garten
und stehenbleibst und aufmerksam wirst und hinsiehst
kannst du sie sitzen sehen oder auch flattern hören
ein wenig verfroren und vielleicht noch ein wenig verloren
und immer ganz dumm vor Glück dass sie wirklich bei dir sind

Erich Fried
Bild: Ludwig Knaus

Freitag, 24. April 2015

Wünsche


Ich wünsche mir
eine Handvoll Nacht
eine Handvoll Vergessen
eine Handvoll Erinnerung

 Klaus Roth

Donnerstag, 23. April 2015

Ich möchte immer nahe bei dir sein

 
Ich möchte immer nahe bei dir sein
und bin dir doch niemals näher als weit
von dir wenn ich mich nach dir sehne.
Ich leg am Tag um mich ein dunkles Kleid
mich sollen keine fremden Augen sehen.
Wo du nicht bist will ich ein Schatten sein
wie du ein Schatten wirst in meiner Nähe:
seit ich dich liebe bin ich ganz allein.


Ulla Hahn
Bild: Daniel Ridgway Knight

Dienstag, 21. April 2015

Stille


Im Zimmer schwebt die Stille und die Wärme,
ganz wie ein Vogel in durchglühter Luft,
und auf dem schwarzen kleinen Tische
liegt still das Deckchen, dünn und zart wie Duft.
Das Glas mit klarem Wasser, wie ein Traum,
wacht, dass das Glöckchen neben ihm nicht lärme,
und wartet scheinbar auf die kleinen Fische.
Die rote Nelke dämmert in den Raum,
als wäre sie dort Königin. 


Die ganze Stille scheint für sie zu sein,
und nur die Flasche mit dem süßen Wein
blinkt still und wie befehlend zu ihr hin.
Sie aber schwebt auf ihrem grünen Stengel,
dünn wie im Kindertraum das Kleid der Engel,
und ihr betäubend süßer Duft lullt ein,
als wollt’ er aus dem Märchenschlaf
Dornröschen rauben.

Die Fenster blicken auf die Straße und sie glauben,
dass dort sei alles nur für sie getan.
Der Spiegel glänzt und in ihm tickt die Uhr,
ganz weit im fernen Dorfe kräht ein Hahn,
und die Gardinen bändigt eine blaue Schnur.
Die Nelke mit den zarten roten Spitzen
harret des Sonnenstrahls, der durch die Ritzen
ihr heut ein Kleid aus Goldstaub angetan.

24.10.1939
Selma Meerbaum-Eisinger 1924-1942

Montag, 20. April 2015

A rain of Tears


VIVALDI - A Rain of Tears 


 

Freitag, 17. April 2015

Lautlos


Je länger ich trete
auf meiner Einsamkeit
desto dicker wird sie
ein graublauer
staubiger Teppich
den ich nicht heben kann
in dem das sitzt
was mit der Zeit meine Zeit
zerbeißt und frißt 


Erich Fried
 
Foto: Irland 2011, Schuhe einer Braut am Strand

Donnerstag, 16. April 2015

I did not die


Dieses Gebet/Gedicht sprach ich jahrelang, jeden Tag für Florian. Es war mein Mantra - es hat mir geholfen!

Frühling bei Florian






Nicht alle Schmerzen sind heilbar,
manche schleichen sich tiefer und tiefer ins Herz hinein
und während Tage und Jahre verstreichen
werden sie zu Stein

Du sprichst und lachst, als wenn nichts wäre
sie scheinen zerronnen wie Schaum.
Doch du spürst ihre lastende Schwere
bis in den Traum

Der Frühling kommt mit Wärme und Helle
die Welt wird ein Blütenmeer
aber in meinem Herzen ist eine Stelle
da blüht nichts mehr


(Ricarda Huch)


Vielleicht eines der wahrhaftigsten Gedichte! 
Florian hat einen neuen Teich bekommen!

Bird of Sorrow


Even if a day feels too long, if you feel like you can't wait another one And you're slowly giving up on everything, love is gonna find you again. Love is gonna find you, you better be ready then. You've been kneeling in the dark for far too long. You've been waiting for that spark, but it hasn't come. Well I'm calling to you please, get off the floor A good heart will find you again. A good heart will find you, just be ready then. Tethered to a bird of sorrow, a voice that's buried in the hollow You've given over to self-deceiving, you're prostrate bowed, but not believing You've squandered more than you can borrow You've bet your joy on all tomorrows, for the hope of some returning' While everything around you is burning. Come on, we gotta get out, get out of this mess we made And still for all our talk, we're both so afraid. Will we leave this up to chance like we do everything? Love is gonna find us again Love is gonna find us, we've got to be ready then. Tethered to a bird of sorrow, a voice that's buried in the hollow You've given over to self-deceiving, you're prostrate bowed, but not believing You've squandered more than you could borrow And you bet your joys on all tomorrows, for the hope of some returning While everything around you's burning. Well I'm not leaving you here, I'm not leaving you here. I'm not leaving. I'm hanging on Hanging on, with the faithful.

Montag, 13. April 2015

Lena's Song


Noch ein wunderschönes Lied aus dem Film
"Wie im Himmel"

Sonntag, 12. April 2015

Abschied


Ich wollte dir immerzu
Viele Liebesworte sagen,
Nun suchst du ruhlos
Nach verlorenen Wundern.

Aber wenn meine Spieluhren spielen
Feiern wir Hochzeit.
O, deine süßen Augen
Sind meine Lieblingsblumen.

Und dein Herz ist mein Himmelreich…
Laß mich hineinschaun.
Du bist ganz aus glitzernder Minze
Und so weich versonnen.

Ich wollte dir immerzu
Viele Liebesworte sagen,
Warum tat ich das nicht?

Else Lasker-Schüler

Donnerstag, 9. April 2015

Wie gelingt Dir


Wie gelingt dir

der Einblick  

der Durchblick


der Überblick
der Weitblick
über diei Dinge
des Daseins 


dass sich Licht legt 

      
unter die Füße

Annemarie Schnitt

Mittwoch, 8. April 2015

Irischer Segen


Nicht, dass keine Wolke Deinen Weg überschatte,
nicht, dass Dein Leben künftig ein Beet voller Rosen sei;
nicht, dass Du niemals bereuen müsstest;
nicht, dass Du niemals Schmerzen empfinden solltest –
nein, das wünsche ich Dir nicht.
Mein Wunsch für Dich lautet:
Dass Du tapfer bist in Stunden der Prüfung;
wenn andere Kreuze auf Deine Schultern legen;
wenn Berge zu erklimmen und Klüfte zu überwinden sind;
wenn die Hoffnung kaum mehr schimmert.

Montag, 6. April 2015

Everything will be fine


"Everything will be fine"  von Wim Wenders

Ein Winterabend. Eine Landstraße. Es schneit, die Sicht ist schlecht. Aus dem Nichts kommt ein Schlitten einen Hügel heruntergeglitten. Eine Vollbremsung, der Wagen kommt zum Stand. Stille. Den Schriftsteller Tomas trifft keine Schuld an diesem tragischen Unfall, ebenso wie den kleinen Christopher, der besser auf seinen Bruder hätte aufpassen können, oder Kate, die Mutter der beiden, die die Kinder früher hätte ins Haus rufen sollen ...
Tomas fällt in ein tiefes Loch. Die Beziehung zu seiner Freundin Sara zerbricht an der Belastung. Tomas rettet sich in sein Schreiben. Aber darf er dazu Erfahrungen verarbeiten, die das Leiden anderer einbeziehen?
Der Film folgt über zwölf Jahre seinem Versuch, dem Leben wieder einen Sinn zu geben und eine eigene Familie aufzubauen. Genauso folgt er auch Kate und Christopher, bis der 17 Jahre alt ist und sich entschließt, diesen Fremden wiederzusehen, den er nur einmal, an jenem verhängnisvollen Abend, getroffen hat.
Every Thing Will Be Fine erzählt auf vorsichtige und genaue Weise von Schuld und der Suche nach Vergebung, und davon, dass es nicht die Zeit ist, die Wunden heilt, sondern vor allem der Mut, sich zu stellen. Und sich selber zu verzeihen.


Ein kleines Meisterwerk!  Sehr empfehlenswert!!!


Ostermontag


TRÄUME
Nichts weiter als träumen
als dich träumen
als deinen Schatten zu sehen
an der Wand
der Träume und dich lieben
zu lieben noch
auf die allertraurigste Art.
Aber nein
Viel weniger
viel weniger oder nichts
als irgendein Almosen
wär schon genug.

Idea Vilarino
An Liebe/Gedichte

Sonntag, 5. April 2015

Ostern



Wir sehen fast glücklich aus in der Sonne, während wir verbluten aus Wunden, von denen wir nicht wissen.

Tomas Tranströmer


Florian, 1979 auf Stromboli

Samstag, 4. April 2015

Auferstehung


Manchmal stehen wir auf
Stehen wir zur Auferstehung auf
Mitten am Tage
Mit unserem lebendigen Haar
Mit unserer atmenden Haut.

Nur das Gewohnte ist um uns.
Keine Fata Morgana von Palmen
Mit weidenden Löwen
Und sanften Wölfen.

Die Weckuhren hören nicht auf zu ticken
Ihre Leuchtzeiger löschen nicht aus.
Und dennoch leicht
Und dennoch unverwundbar
Geordnet in geheimnisvolle Ordnung
Vorweggenommen in ein Haus aus Licht.

Marie Louise Kaschnitz 


Ich wünsche Euch ein sonniges und friedvolles Osterfest
Im Garten sah ich die ersten Falter...  das berührt mich!

 

Freitag, 3. April 2015

Gedanken am Karfreitag




....." Etwas Wichtiges, Berührendes oder Furchtbares passiert, alle Medien steigen darauf ein, es gibt fast keine anderen Themen mehr, und irgendwann kippt es. Der Overkill-Effekt hatte eingesetzt.


..."Ich glaube nicht daran, dass man das Leid anderer wirklich teilen kann. Diese Idee hat auch den Autor Lessing stark beschäftigt. Wenn wir das Leid anderer sehen, schrieb Lessing, haben wir vor allem Angst davor, dass wir selbst an ihrer Stelle stehen könnten. Wenn jemand ein Kind verloren hat, dann stellt man sich vor, man selber habe ein Kind verloren. Und wir empfinden Erleichterung, weil es nicht so ist. Deshalb sehen Menschen gern Tragödien. Wir fühlen uns dabei sicher. Wenn man das Leid der Hinterbliebenen wirklich mitfühlen könnte, wäre es nicht auszuhalten....:!


..."Das Mitleid und die weniger gut beleumundete, gleichwohl menschliche Lust an der Tragödie liegen so eng beieinander, dass ich sie nicht auseinanderklamüsern kann. Ich schäme mich immer dafür, dass ich an solchen Tagen richtig gierig bin auf die „Tagesschau“. Aber es ist Quatsch, für die eigene Lust an der Katastrophe die Medien zu kritisieren. Wir alle wollen nur unsere Angst besiegen...."
  Dieser Kommentar aus dem "Tagesspiegel" von Harald Martenstein hat mich nachdenklich gemacht
und berührt!

Ich habe, seit diesem Unglück, so häufig an die Hinterbliebenen, an die gedacht, die diesem Medienhype ausgesetzt sind, denen nicht der Raum und die Ruhe für ihre Trauer und das Begreifen des Unbegreifbaren gegeben sein wird, das sie so nötig brauchen -  und das wir hatten!
Vor allem der Satz, ..."Wenn man das Leid der Hinterbliebenen wirklich mitfühlen könnte, wäre es nicht auszuhalten...:"   hat mich so sehr an meine eigene erste Trauer erinnert;  an die, die meinten, mich mit eben dieser Behauptung,  "trösten" zu können, sie würden wissen, wie es mir ginge.
Nur, wer dieses Schicksal des Verlustes eines Kindes, eines sehr geliebten Menschen teilt, ist "Wissender" und selbst im Leid und in der Trauer bleiben wir Individuen - und kein Leid gleicht wirklich dem anderen. 

Darüber denke ich heute - am Karfreitag - nach!    


Eine Freundin schickte mir dieses Lied - und es ist mein Geschenk an alle Trauernden in diesen Tagen!  Danke Teresa



Mittwoch, 1. April 2015

Sonnenkraft


Und immer wieder sinkt der Winter,
und immer wieder wird es Frühling,
und immer immer wieder stehst du
und freust dich an dem ersten Grün
und wenn die kleinen Veilchen blühn,
und immer wieder ist es schön
und macht es jung und macht es froh,
und ob du's tausendmal gesehn:
wenn hoch in lauen blauen Lüften
die ersten Schwalben lustig zwitschern ...
immer wieder ... jedes Jahr ...
sag, ist das nicht wunderbar?!

Diese stille Kraft der Seele:
immer neu sich aufzuringen
aus dem Banne trüber Winter,
aus dem Schatten grauer Nächte,
aus der Tiefe in die Höhe ...
sag, ist das nicht wunderbar?!

Diese stille Kraft der Seele,
immer wieder sich zur Sonne zu befrein,
immer wieder stolz zu werden,
immer wieder froh zu sein.


Cäsar Flaischlen 1864-1920

Danke, liebe Hilde