Wo die Idee ursprünglich herkam, habe ich nie
herausgefunden. Für mich als Kind waren
die Friedensboote ein ebenso selbstverständlicher weihnachtlicher Brauch wie
der Tannenbaum und die Krippe.
Gebastelt haben wir tagelang an den Booten, meine Schwestern
und ich. Hier noch ein buntes Segel, dort noch eine Verzierung an den Seiten,
oder die ultimativ raffiniertest Kerzenhalterung mit Windschutz.. Jede von uns
wollte das schönste Boot haben.
Wenn meine Eltern dann den Baum schmückten, saßen wir im
Kinderzimmer und schrieben. Die Wünsche waren das Wichtigste. Sie waren die Fracht. Auf klitzekleine Zettel
schreiben wir sie, rollten sie zusammen und packten sie in den Laderaum, der
meist aus einer Streichholzschachtel bestand.
Dann kamen sie in die Kirche. Während es Weihnachtsgottesdienstes schoben wir sie unter die Bank, und nun konnten sie sich zusätzlich noch mit all den schönen Liedern und Texten füllen, die rings zu hören waren.
Nach der Kirche wanderten wir zum Fluss. Die Stadt schien ausgestorben zu sein. Es
wurde immer stiller. Es war eine Stille, wie es sie das ganze Jahr über nicht
gab. Man hörte nur unsere Schritte, das Knirschen des Schnees oder das
Schmatzen des sumpfigen Erdreichs. Unsere Lampen reichen kaum den nächsten
Schritt weit.
Am Fluss angekommen, standen wir noch ein Welchen einfach
so da in der leeren Welt.
Dann holte meine Mutter die Streichhölzer heraus, wir packten
unsere Boote aus und zündeten die Kerzen an. Nacheinander setzen wir die Boote
aufs Wasser und sahen ihren Lichtern so lange nach, bis uns die Augen tränten vor
Anstrengung. Ich wusste, mein Boot würde weit, weit schwimmen. Bis zum Meer. Und
dann hinaus in die Welt. Und irgendwo an einem Strand würde es ankommen.
Und nun ist es soweit. Weihnachten naht. Und ich mache mich auf, einen Fluss zu suchen. Einen Fluss, der ins Meer führt.
Doris Bewernitz
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