Dienstag, 9. März 2010

Am Ufer des Augenblicks


„Zu unseren wundervollsten Erinnerungen zählen die Erinnerungen an schöne Orte, an denen wir uns sofort heimisch fühlten. Warum? Weil wir uns in der Gegenwart des Schönen am lebendigsten fühlen, denn es kommt den Bedürfnissen unserer Seele entgegen.
Für eine Weile wird die Anstrengung des Kämpfens und Duldens gelindert und unsere Zerbrechlichkeit wird durch ein anderes Licht erhellt; ein Licht, in dem es uns gelingt, hinter dem Schauer der Erscheinungen einen flüchtigen Blick auf die verlässliche Form der Dinge zu werfen. Wenn wir Schönheit erfahren, geschieht beides im selben Akt: Wir erwachen und geben uns hin. Die Schönheit vermittelt ein Gefühl der Vollendung und Verlässlichkeit.“..

O’Donohue „Schönheit“



Diese Worte von O’Donohue berühren den Kern dessen, was ich in diesen Tagen an diesem Ort erlebe und Ursache ist die Schönheit dieser Landschaft, des Strandes mit seinen vielfältigen Gesichtern, seinen Schätzen, die das Meer angespült und geformt hat; der Himmel, der in die See zu tauchen scheint. Keine Grenzen – unendliche Weite – und diese Weite überträgt sich auf die Seele.
Die Musik des Meeres, ich lausche ihr stundenlang - nichts lenkt ab… Der Schrei einer Möwe, nur er unterbricht diesen Gleichklang der ans Ufer schlagenden Wellen… Unendlichkeit!
Der Wind ordnet die Gedanken, nimmt Ängste und Zweifel. Der Alltag löst sich auf und nichts erscheint so schwer, dass ich es nicht tragen könnte…Ich fühle mich auf eine wundersame Weise getröstet, behütet und geborgen in einem großen Ganzen.
Ich erlebe eine Wahrhaftigkeit, wie ich sie nur am Meer erleben kann und eine Nähe zu Florian, die mich an die ersten Jahre der Trauer erinnert.. aber sie schmerzt nicht, sie beglückt und macht mich demütig und dankbar.

Ich saß auf einem Stein und sprach mit ihm und sagte mein Gebet – und jedes einzelne Wort war voller Bedeutung und einer fast schmerzenden Tiefe:

I carry you with me
My little ghost inside
I carry you with me
So you are still alive.
The bones we buried
They feed the tree;
But every single word you spoke
Is still in me.
And I will cry for you
Sometimes when the night is down
And I will raise my head
Upo the mountains – and I fly
Cause the spirit lives on
When the bodies die.

Und dann stand ich auf und ging weiter.. und mein Fuß stieß gegen einen Stein und ich bückte mich, um ihn aufzuheben: und auf dem Stein war ein „Boot“ – unser Boot! Es war wie eine Antwort – eine Bestätigung, eine Liebkosung.
Tot sind sie – aber fern sind sie nie!

Unser aller Sein bedarf keiner Körperlichkeit. Doch diese Vorstellung übersteigt unseren Verstand, und gerade das ist es, wovon wir uns lösen müssen. Der Verstand, das Denken, entfernt uns von der Wahrnehmung unseres Seins, von der Wahrnehmung der Gesamtheit, dem Sinn des Seins, denn nur unser Geist und unsere Seele (er)kennen die Wahrheit.
In unserem tiefsten Inneren liegt dieses Geheimnis, unsere aller Geheimnis.....auch vor uns selbst. "Am Ufer des Augenblicks" finden unsere Seelen zusammen, wenn wir es zulassen können.

Oder anders ausgedrückt:

„Die Segnungen, nach denen wir uns sehnen, sind an keinem anderen Ort und in keinem anderen Menschen zu finden. Nur unser Selbst kann sie uns gewähren. Sie sein am
Herdfeuer unserer Seele zu Hause.“

John O’Donohue
„Anam Cara“

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