Donnerstag, 25. November 2010

Nichts bleibt wie es ist




„Sei still, mein Schmerz, du musst nun leiser klagen, weil es für mich die einzige Möglichkeit ist, standzuhalten, das weiß ich genau, die einzige“…


Polis, Zypern im November 2010


Ein ungewöhnlicher Ort, meine Gedanken niederzuschreiben – fern meines Lebensmittelpunktes, fern meines gewohnten Alltags und doch sinnvoll, da ich hier, aus größerer Distanz und mit mehr Ruhe, auf mein Leben sehen kann.
Zum zweiten Mal in diesem Jahr erlebe ich etwas (altes) Neues: Urlaub! Urlaub in seiner eigentlichen Bedeutung: Eintauchen in eine andere Welt, eine andere Kultur, Neugierde und ein offener , interessierter Blick, Platz im Inneren, die Eindrücke festzuhalten und das Erlebte genießen zu können.
Reisen ist nicht mehr in erster Linie „pilgern“, keine Reise ins Innere auf der Suche nach meinem Kind.
Das ist eine große Veränderung und sie hat 10 Jahre gebraucht!


Ich habe in dieser Woche, die wir hier mitten im November im Sommer verbringen, so häufig von Florian geträumt, wie sehr lange nicht mehr und: ich habe ihn nicht „gerufen“.
Er besucht mich in meinen Träumen, als wolle er mir zeigen, wie selbstverständlich seine Anwesenheit doch längst ist; auch, wenn ich mich meinem Leben in Leichtigkeit hingebe.
Nein, ich empfinde keine Schwere in diesen Tagen, ich fühle mich gut und in „meinem Leben“ ohne- und doch immer mit Florian angekommen.


„Die Vergangenheit lebt in uns. Eine formlose Masse, die sich ganz tief in uns zurückgezogen hat, als wolle sie schlafen aber sie liegt wach“….


In den ersten Trauerjahren ist der schlimmste Gedanke, das Kind, den geliebten Menschen, vergessen zu können und so erinnern wir uns ständig – halten uns an den Erinnerungen aufrecht, halten sie fest und richten für sie das Zentrum unseres Lebens ein.
Aber die Liebe, die wir mit denen teilten, die wir nun so vermissen, ist unendlich – Liebe und Ewigkeit gehören zusammen! „Die Ewigkeit liegt nicht in der Dauer begründet sondern in der Tiefe“.


Die nun erlebte Freiheit ist aus dem Verlust, dem Leid gewachsen.
Erst der Schatten lässt das Licht in all seiner Pracht hervortreten. Es mag schrecklich klingen, aber wenn ich Florian nicht verloren hätte, wüsste ich die Augenblicke nicht so würdigen, wie ich es nun tue, die kleinen Dinge, die Natur, wie wir sie hier im Moment erleben. All das macht mich demütig und dankbar.
Nichts ist selbstverständlich und jeder Tag ein Geschenk.


Manchmal, wenn ich am Strand im warmen Sand liege, die Augen den Himmel absuchen nach einem Wolkenspiel, das ich deuten kann, dann ist Florian ganz nah und ich weine still meine Tränen der Sehnsucht – um dann, nur einen Moment später, mich von der Musik der sich brechenden Wellen ablenken zu lassen.


"Alles scheint an seinem Platz zu sein, meine Zerbrechlichkeit wird von der Fülle an Raum ausgeglichen".


Florian ist nicht mehr da. Eines Tages werde ich auch nicht mehr da sein.
An unserer Stelle werden andere über die Schönheit dieser Welt staunen.


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Nachtrag: Ich lese ein wunderschönes Buch hier: „Weil nichts bleibt, wie es ist“ von Laurence Tardieu und fühle mich von ihren Gedanken sehr inspiriert und habe meinen Text an diese Gedanken angelehnt und die Zitate diesem Buch entnommen.

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