Montag, 23. August 2010

Niemand, nicht einmal der Regen

irgendwo, wo ich noch nie gewesen,
wohl jenseits jeglicher erfahrung,
ist die stille deiner augen:
in deiner zartesten geste sind dinge, die mich umfassen
oder welche ich nicht zu berühren vermag, weil sie zu nah
sind

mühelos öffnet mich der flüchtigste deiner blicke,
wenn ich mich auch wie finger geschlossen habe,
so öffnest du mich doch stets blatt für blatt, wie der frühling
(mit verständiger, geheimnisvoller berührung) seine erste
rose

wünschest du aber, mich zu verschließen, so schließen
sich plötzlich auf wundersame weise ich und mein leben,
als erträumte das herz dieser blume
des schneefalls leises herniedersinken

nichts auf dieser welt kommt der macht
deiner eindringlichen zartheit gleich,
deren tönung mich mit den farben ihrer herkunft lockt,
tod und ewigkeit mit jedem atemzug verströmend

(ich weiß nicht, was an dir sich schließt
und öffnet; nur etwas ist in mir, als
fände ich die antwort in der stimme deiner augen, tiefer noch
als rosen)
niemand, nicht einmal der regen, hat solch kleine hände.

[e. e. cummings]
Mit diesem schönen Text verabschiede ich mich nach Irland!
Seid behütet und beschützt!
Eure Gabriele

Sonntag, 22. August 2010

Eines Morgens...

Eines Morgens wachst du nicht mehr auf.

Die Vögel singen, wie sie gestern sangen.

Nichts ändert diesen neuen Tagesablauf

- Nur du bist fortgegangen -

Du bist frei und meine Tränen wünschen dir Glück


Johann Wolfgang von Goethe

Samstag, 21. August 2010

Grateful



http://www.youtube.com/watch?v=lZBhm2KBMxA


Von Matthias Heine


Sein Abschied vom Leben dauerte lange, und er fand vor aller Augen statt. Zwar ging auch Christoph Schlingensief nicht so weit, bei seiner Krebsoperation, in der ihm Anfang 2008 ein Lungenflügel entfernt wurde, Kameras zuzulassen, und auch bei seinem Tod gestern war nur seine Frau anwesend. Doch dazwischen hat dieser radikal persönliche Künstler fast zweieinhalb Jahre viele Details seiner Krankheit öffentlich gemacht. So benutzte er verzweifelt klingende Tonbandaufnahmen direkt vom Krankenbett in seinen Inszenierungen. Und er schrieb das Bekenntnisbuch „So schön wie hier kann's im Himmel gar nicht sein“, das zum Bestseller wurde.

Ausgerechnet die schönste und berührendste Abschiedsszene fand aber ironischerweise fast im Geheimen statt: Im Dezember 2008 diskutierte Schlingensief im Münchener Haus der Kunst vor ein paar Hundert Leuten mit Patti Smith über Gott. Nur wenige Medien berichteten darüber. Zum Schluss der Veranstaltung, in der der von der Krankheit Gezeichnete über seinen „Fight“ mit Jesus berichtet hatte, sang die ziemlich berührte Grand Old Lady des Punk für ihren Gesprächspartner das Lied „Grateful“, in dem es heißt: „Stirb, kleiner Spatz, und erwache singend!“ Es war atemberaubend kitschig, und es war großartig.


R.I.P.



Ich bin bestürzt über den Tod von Christoph Schlingensief und traurig.
Wie sehr hat uns sein Buch im vergangenen Jahr berührt und bewegt. Mit ihm verlieren wir einen großen Künstler, einen überaus kreativen Menschen. Er wollte so gerne leben, war voller Ideen und Projekte. Ein unersetzlicher Verlust!
Mein Mitgefühl gilt seiner Frau Aino und seiner Familie.

Aus einem Interview:

Wo sehen Sie sich zurzeit zwischen Himmel, Erde und Hölle?
Manchmal denke ich, vielleicht habe ich jetzt sogar weniger Angst vor dem Sterben. Bei allen Schilderungen, die ich gelesen habe, habe ich schon ein paarmal gedacht: Vielleicht ist das ja sogar ganz interessant. Ich würde zum Beispiel den Buñuel gerne mal treffen. Oder dem Alexander von Humboldt über die Schulter schauen. Da oben sind ja zumindest Millionen von Menschen (lacht). Dann lerne ich die auch mal kennen.

Ist das Ihre Vorstellung vom Jenseits?
Eigentlich habe ich im Augenblick gar keine Vorstellung, und ich will auch keine haben. Ich glaube auch nicht, dass das für mich als Person irgendeine Bedeutung hat. Sondern es wird irgendwann einmal einfach ein Auflösen in Energie sein, und dann wird die Energie schon irgendwo bleiben. Es geht nichts verloren. Davon gehe ich aus.

Möge er dort allen begegnen, die er hier nicht mehr treffen konnte! Der Himmel ist um eine Seele reicher - wir um einen Menschen ärmer!

Hoffende


...da sitzt jemand ganz still
und verändert die Welt.
Da rast einer umher und trägt dazu bei,
dass alles so bleibt, wie es ist.

Die Treue zur Hoffnung ist nicht sichtbar,
sogar die Hoffnung selbst
ist oft nicht sichtbar,
weil sie so unscheinbar ist.
Und doch wird
die ganze Welt
von dem Hoffenden
getragen.

Ulrich Schaffer

Danke, von Herzen, liebe Veronika! Bis bald - versprochen :)

Farewell

Nirgendwo bin ich so glücklich...wie in Irland!
Donegal!



Dirlaught, 7.9.2006

Gerade kommen wir aus Lettermackawards, wo ich im winzigen Postamt auf der Tankstelle meine letzten Ansichtskarten aufgeben wollte.

Die Post besteht aus einem winzigen Raum, in dem zur Rechten ein richtiger Schalter steht, hinter dem ein alter Mann sitzt, der mich herzlich begrüßt.
Ich bitte um 7 Briefmarken. „Is it for Ireland?“ – „No, for Germany“.
Und er fragt weiter, warum ich nicht 10 Marken nehmen könne, die gäbe es nämlich in einem Briefchen. Ich willige ein und beginne, Karte für Karte zu frankieren und schiebe sie ihm zu. Er dreht jede Karte um und meint, es seien schöne Ansicht von Irland und dann stößt er auf eine Karte mit einem Gedicht von W.B. Yeats. Er nimmt sie aufmerksam in die Hand und dann rezitiert er dieses Gedicht – und ich höre seiner schönen Stimme zu und es entsteht einer dieser magischen kleinen Momente, die wir hier immer wieder erleben - zauberhaft schön.

„Down by the Sally gardens
My love and I did meet;
She passed the sally gardens
With little snow white feet.
She bid me take love easy,
As the leaves grow on the tree:
But I, being young and foolish
With her would not agree”….


Morgen geht es weiter nach Nordirland – wir verlassen also die Republik und mir ist richtig schwer ums Herz. Ich dachte nicht, mich hier noch einmal verlieben zu können, aber es ist geschehen und die neue Liebe heisst Donegal!

Hier endet dieses Tagebuch... und in 3 Tagen werden wir zurück sein in Irland - endlich!

Freitag, 20. August 2010

It could be worse

Herzsteine Austern, frisch aus dem Meer
Kunst im Sand ...." das wär's doch... "


Dirlaught, 6.9.2006

Es ist Vollmond. Er ließ sich durch einen Wolkenspalt sehen – um gleich wieder zu verschwinden.

Hans-Jürgen hat sich in die Sauna, die neben dem Haus im Garten steht, mit einem Buch zurückgezogen; ich sitze am großen Tisch im Cottage und schaue in die irische Nacht. Vor Florians Foto brennt eine Licht, seine warmen, milden Augen scheinen mir beim Schreiben zuzusehen.

„Geliebter Florian, wie sehr du mir fehlst. Oft sind meine Wangen nass, empfinde ich ein solches Verlangen, dich hier haben zu wollen, mit dir diese wundervollen Tage teilen zu können“… Es ist ein Schmerz, der nie enden wird, der nie enden soll!

I would love to liveLike a river flows,
Carried by the surprise
Of its own unfolding.


John O' Donohue

Es war nicht leicht, mich auf ein neues Stück Irland einzulassen – auf einen Landstrich, den wir früher mit Florian nicht bereist haben, über den wir aber sprachen und in unsere Planung aufgenommen hatten..Unsere Zeit reichte nicht aus. Es ist so schmerzlich, Neues zu sehen, zu entdecken; leichter, sich Landschaften und Orten zuzuwenden, die Florians Augen sahen.

Viele Friedhöfe haben wir besucht, an vielen Gräbern junger Menschen gestanden und immer entsteht dieses Entsetzen, die Unfassbarkeit.

Täglich begeistert uns Donegal auf Neue, wir sind angekommen!
Das Wetter spielt ganz gut mit; es ist unser unbeständiger Begleiter, an den man sich jedoch gewöhnen kann; keine Vohersage ist möglich und haben wir uns gerade auf Regen eingestellt, reißt es auf und die Sonne taucht alle um uns herum in ein wundervoll warmes, mildes Licht – unbeschreiblich diese Farben.

„O’ the rain, the wary, dreary rain
How it plashes on the window-sill


(Mangan)

Leider ist es eben auch umgekehrt: Unsere langen Strandspaziergänge, bei Sonne begonnen, enden öfter im Anorak und mit nassen Hosenbeinen.
Um so gemütlicher ist es dann im warmen Cottage, wo wir uns unter die dicken, schweren Bettdecken flüchten um – mit etwas Glück – wieder Sonne nach einem kurzen, erholsamen Schlaf zu finden!

Nie haben wir so schnelle Wetterwechsel erlebt, selten so dramatische Wolkenhimmel. Ein Schauspiel für sich.

Jedes Frühstück bietet ein anderes Bild, das das Wetter über der morgens leer gelaufenen Bucht inszeniert. Oft geht die Sonne auf der anderen Seite der Bucht auf den sanften Hügeln spazieren. Sie erleuchtet zunächst einen Teil des kargen grünen Hügels – um dann weiter zu ziehen und den soeben noch beschieinenen im Schatten zurück zu lassen, um den nächsten Flecken Erde anzustrahlen.
Wir folgen diesem Schauspiel mit unseren Blicken und wenn es sich am Abend
wiederholt, ist es, als küsse die Sonne die Natur zum Abschied, bevor sie sich zur Ruhe neigt.

Die spektakulären Sonnenuntergänge erleben wir in diesem Jahr nicht, so wir Irland überhaupt in „anderem Licht“ erleben.

Gestern war unser erster Schlechtwettertag in Donegal und Conn, der 76jährige Nachbar, der uns einen Besuch abstattet, da er gerne ein wenig Unterhaltung hat, meinte es „terrible“ – aber er versprach zugleich Besserung für den morgigen Tag. Vielleicht hat er einen Fernseher, vielleicht haben die Menschen hier die Fähigkeit, einen Wetterwechsel vorherzusagen… Unser Baromether jedenfalls, auf das wir täglich schauen, hinkt regelmäßig hinterher.

Unser Abend endete gestern in „Leo’s Tavern“ – einem der berühmtesten Pubs Irlands. Hier sangen ENYA, hier traten CLANNAD zum ersten Mal auf, bevor sie über Irlands Grenzen hinaus bekannt wurden. Hier ist täglich life music und wir werden von einem Ansturm von Teenies überrascht, die das Pub um 22 Uhr zu einem wahren Lautstärkeinferno machen… und wir wundern uns, woher hier – in the middle of nowhere – so viele junge Menschen kommen.. Einer der Reichtümer dieses Landes, vielleicht der wichtigste: unendlich viele junge Menschen!

Donnerstag, 19. August 2010

Miracles...



Our memories build a special bridge
When loved ones have to part
To help us feel we’re with them still
And soothe a grieving heart
They span the years and warm our lives
Preserving ties that bind
Our memories build a special bridge
And bring us peace of mind.

Diesen Text trägt ein Foto von Florian, das ich in Dublin - zusammen mit einer Rose, die ich aus dem Garten mitbringe - auf die Treppe legen werde..
Ob uns jemand öffnet? Jedes Jahr die bange Frage - und bisher haben wir Glück gehabt. Was die Menschen denken, wenn sie unsere Zeichen auf der Treppe finden?
Ob es sie stört, oder berührt?

Ich möchte Euch eine Passage aus meinem Irland-Tagebuch 2005 vorlesen:

Unser erster Gang, nachdem wir das B+B bezogen hatten, das in unmittelbarer Nähe des Platzes liegt, an dem Florian + Eimear wohnten, galt der Nr. 50 des Grosvenor Square
und während wir uns dem Haus näherten, überlegte ich, wie ich uns dieses Mal Einlass verschaffen könnte. Ich könnte sagen, wir seien mit der „landlady“ (wie die Eigentümerin hier genannt wird) verabredet. Von ihr hat Florian öfter erzählt. Sie kam einmal die Woche und zog die Miete bar von allen Mietern des Hauses ein und hatte so ständigen Kontakt mit ihnen.

Unterhalb der breiten Steintreppe, die zur Eingangstür führt (mir fiel auf, dass noch immer die
„5O“ nicht angebracht worden ist), unterhielten sich zwei Männer angeregt. Ich ging auf sie zu und fragte, ob einer von ihnen uns wohl die Tür öffnen könne. Der jüngere der beiden sah mich aufmerksam an und sagte: „You must be Florian mother“... und mein Herz setzte einen Moment aus. „Yes I am Florians Mom“ – „And I am the landlord“. Er drückte meine Hand und sagte mir, wie unendlich Leid es ihm und seiner Familie tat, als sie von Florians Tod erfuhren; sie alle hatten Florian sehr gemocht und Eimear habe ja noch eine lange Zeit in diesem Haus gelebt. Nun habe er keinen Kontakt mehr zu ihr. „You are late this year“, meinte er dann, während er die Tür aufschloss – und wieder war ich berührt.

Man hat die Blumen also zur Kenntnis genommen, die im Jahr Zwei und Jahr Drei auf den Treppenabsatz gelegt haben, auf dem Florian gestorben ist. Und man hat den schönen Strauß roter Rosen mit Florian in Verbindung gebracht, den eine liebe verwaiste Mutter für uns im vergangenen Jahr vor dem Haus auf die Steintreppe gelegt hat. Man erinnert sich an Florian; er wusste sofort seinen Namen, musste nicht einmal nachdenken und er „wusste“ sofort, dass ich Florians Mutter bin. Welch ein Geschenk, welch eine Gnade, solch einen Moment erleben zu dürfen!
Er verabschiedete sich, noch einmal nach Eimear fragend, die in diesen Tagen in Dublin sein müsste, ohne aber an diesen Ort zurückzukehren. Dann ließ er uns mit diesem Ort alleine.
Schweigend und überwältigt von diesem Eindruck setzten wir uns auf die Treppe und ich legte die am Morgen im Garten geschnittene Rose und den einen zarten Duft verströmenden Salbei dorthin auf den Teppich, wo Florians Körper gelegen hat, bevor man ihn wegholte.

Alles hier ist unverändert an diesem Ort. Der rote, weiche Teppich etwas ausgetretener, an der gelben Wand Spuren von Taschen oder Einkaufsbeuteln. Ich will mir jeden Zentimeter dieses für mich so wichtigen heiligen Ortes einprägen, eingravieren sollen sich die Bilder, damit sich sie jederzeit abrufen kann, wenn ich nicht mehr glauben kann oder will, was hier am 1. Juli 2000 geschehen ist.

Ja, immer wieder erwarten uns kleine Wunder in Irland.. dies war ein besonders schönes!

Song for Ireland

"Look at it from the bright side"...

Unser "Vorgarten"...
Slieve League
...just happy!


Dirlaught, 3.9.2006

Ich sitze auf der kleinen Insel auf dem Teich vorm Cottage. Der Himmel ist bewölkt; ab und zu eine sonnige Phase. Das herbstliche Wetter hält an und die Hoffnung auf Sommer ist begraben.

Wir sind täglich am Strand.. bei jedem Wetter. Es ist ein wundervoller, endloser Strand, breit und mit weissem, feinen Sand. Niemand ist hier außer uns… wo gibt es so viel Stille auf dieser Welt? Alle Sorgen, alle Nöte in mir schrumpfen auf ein neues Maß.. Ich erblicke Unendlichkeit und meine Seele verschmilzt mit der Weite und Florian ist nah!

Wir unternehmen täglich Ausflüge und ich verliebe mich mit jedem Tag mehr in diese wilde Landschaft. Sie erinnert an Connemara – und hat doch mit ihren Hügeln und ihrer Weite eigene Struktur.
Die Farben der Natur erhalten durch das ständig wechselnde Wetter eine eigenartige Intensität. An einem Stein leuchten rostrote oder ockerfarbene Flechten auf. Das Moor ist dort, wo Torf gestochen wird, von Feuchtigkeit tiefbraun, kleine Grasbüschel und überall das Heidekraut in seinen vielfältigen Tönungen. Unscheinbare kleine Blümchen erhalten im Kontrast zu ihrer Umgebung eine besondere Schönheit.

„Turning darkness into light“ – wie oft denke ich hier an diesen Satz..

Und dann die Küste mit ihren Klippen und Buchten, langen Sandstränden, menschenleer. Die grünen Wiesen ziehen sich bis unmittelbar an die felsigen Küsten. Schafe grasen und sehen aus wie herab gefallene weisse, kleine Wölkchen.

Man muss diese Landschaft einfach lieben, aufnahmefähig sein für diese kleinen, fast unscheinbaren Reize. Sie schulen unser Auge.

„Look at it from the bright side“ – sagen die Iren und gewinnen auch einem Regentag etwas ab: Schreiben, ausruhen, lesen – wir lernen gerne von ihnen.

Es kehrt Ruhe in uns ein, ein gutes Gefühl. Berlin ist weit weg und es fühlt sich an, als wären wir seit vielen Wochen unterwegs.

Gestern riss der Himmel auf und Sonnenschein begleitete uns auf einer herrlichen Tour entlang der Küste. „Slieve League“, die höchsten Klippen Europas waren unser Ziel. 600 m ragen sie aus dem Meer – ein spektakulärer Anblick.

Auch hier, wie überall, wenige Touristen. Ich sitze eine Weile und genieße das Schauspiel des wechselnden Lichts, der Brandung, die weit unter mir an die Felsen schlägt, während Hans-Jürgen ein Stück höher klettert. Wieder bin ich überwältigt von der Weite des Atlantik, der hier an die Küsten Irlands schlägt. Ich summe den „Song for Ireland“…

Walking all the day, near tall towers where falcons build their nests
Silver winged they fly, they know the call of freedom in their breasts
Saw Black Head against the sky, between the rocks that run down to the sea
Living on your western shore, saw summer sunsets, asked for more
I stood by your Atlantic sea, and sang a song for Ireland

Was für ein wunderschönes Lied!

Auf schmalen Straßen, kaum breit genug für ein Auto, fahren wir durch bogland – durch Hochmoore – so weit das Auge reicht. Niemand kommt uns entgegen… wir haben manchmal das Gefühl alleine auf dieser Welt zu sein.

Ich setze mich in eine blühende Wiese – und bin einfach glücklich!
Hier in Irland habe ich dieses Wort wieder auszusprechen gelernt: Glück, glücklich sein! Hier habe ich es zum ersten Mal seit Florians Tod gespürt.
Ich kann Glück erleben; ich darf Glück erleben! Welch Geschenk!

Mittwoch, 18. August 2010

Im Land der Feen

Unser Strand... menschenleer - fast immer!
Regenbogen... immer wieder begegneten sie uns.. Die Brücke ...
Florians Platz im Haus und unsere täglichen Geschenke vom Meer...
Landschaft in Donegal und unser cottage
http://www.youtube.com/watch?gl=DE&hl=de&v=C2UZReQGNVI

Nun sind wir in Donegal, wo Wind und Regenbogen zu Hause sind – Donegal, die wildeste Ecke der Insel. Regen und Sonne haben den Weg begleitet und erst als wir ankamen, entschloss der Himmel sich, uns einige wärmende Strahlen zu schicken, die wir dringend benötigten.

Der unter einem Stein vor der Haustür deponierte Schlüssel zum Cottage war schnell gefunden und als wir die Tür öffneten, schlug uns der Geruch eines Hauses, das monatelang leer stand, entgegen, was in mir einen inneren Zweikampf zwischen dem vorgefundenen Zustand und der Freude über die schlichte Schönheit auslöste.
Die Sonne war unsere größte Unterstützerin, denn nachdem wir Betten und Teppiche auf die Steine draußen gelegt hatten, sie durch Fenster und Türen in das Häuschen einliessen, entstand nach kurzer Zeit eine wohlige Atmosphäre.

Je mehr wir auf Entdeckung gehen, desto besser gefällt uns dieser Ort, an dem wir nun die restlichen Tage in Irland verbringen werden.

Im Garten steht ein Fairytree – ein Feenbaum. So jedenfalls hat es der frühere
Eigentümer gesagt. Iren würden nie wagen, Hand an einen solchen Baum zu legen.. und in den „Dornbüschen“ – also den Rosenstöcken lebt das kleine Volk der Feen.
Ich denke darüber nach, was gesehen sein mag, dass Ulrike, die dieses Cottage mit Fritz bewohnen wollte, sterben musste. Ich denke oft an sie hier an diesem Ort. Unsere Schicksale haben uns zusammengeführt, die Verluste um die geliebten Menschen: Florian und Ulrike

Ich lese die Gedichte von W.B. Yeats, an dessen Grab wir auf dem Weg standen:

Come away, o human child!
To the waters and the wild
With a faery, hand in hand,
For the world’s more full of weeping
than you can understand

Komm heran, Oh Menschenskind!
Zu den Wassern und der Wildnis
Hand in Hand mit einer Fee,
Denn die Welt ist weit mehr voller Tränen,
als Du verstehen kannst.



Die Inschrift auf W.B. Yeats’ Grab lautet:

Cast a cold eye
On life, on death
Horsemann, pass by!

Wirf einen kalten BlickAuf das Leben. Auf den Tod.
Und dann, Reiter, zieh weiter.


Wir erkunden unsere Umgebung und stellen fest, dass es leider keinen direkten Weg vom Haus hinunter in die Bucht gibt. Dafür finden wir die herrlichsten Brombeeren, die uns für nasse Füße und eine frühzeitige Umkehr belohnen.

Unsere Nachbarin Betty, die weit über 80 ist, lebt noch immer alleine in ihrem Cottage – täglich wird nach ihr gesehen. Auf der kleinen Weide stehen ein Esel und ein Kalb. Sie wird sie nicht mehr selbst versorgen können, aber sie gehören zu ihr, zu ihrem Cottage und zu ihrem Leben. Vielleicht wird bald ein Deutscher, ein Inder (wie bei dem Cottage, in dem wir sind und das verkauft wurde) nebenan leben… Nichts bleibt wie es ist!

And I shall have some peace there,
For peace comes dropping slow.
Dropping form the veils of the morning
To where the cricket sings
There midnight’s all a glimmer,
And noon’s purple glow.
And evening full of the linnet’s wings

W.B. Yeats

Dienstag, 17. August 2010

Seelenlandschaft

Ballynahinch Castel
Bog Road Clifden Connemara

"Wild Heather B+B", Cleggan (leider inzwischen geschlossen)

Blick aus dem B+B
Memory Stone
Weiterer Auszug aus meinem Irland-Tagebuch 2006
....Die Landschaft der Seele ist so weit wie die einsame Bergwelt Connemaras, so tief wie das Meer und so klar wie ein stiller See. Sie ist geprägt von der unendlichen Sehnsucht nach Geborgenheit, der Polarität von Distanz und Nähe, Aufbruch und Heimkehr, Verlangen und Erfüllung. im Getöse unserer modernen Welt vergessen wir nur allzu häufig, der Stimme unserer Sehnsucht zu lauschen..

Je näher wir unserem Ziel, Cleggan kommen, desto stiller werden auch wir. Ab Galway kennen wir den Weg – und er führt uns immer tiefer in diese so besondere Landschaft.

Als wir in unserem B+B „Wild Heather“ – bei Mary am Tisch sitzen, den Blick über die heideblühenden Weisen, die sich bis zum Meer ausdehnen, schweifen lassen, einen heißen Tee trinken und die frisch gebackenen Scones essen, wissen wir, dass wir endlich angekommen sind – „zu Hause“ in Irland.

Leider hatten wir den Regen aus Dublin mitgenommen und erst an meinem Geburtstag durchbrach die Sonne den grauen Himmel und bescherte uns den wärmsten Tag seit unserer Ankunft.

Wir suchten unsere Lieblingsplätze entlang der Cleggan Bay und liefen lange entlang der Küste, die so wild, so rau und so wunderschön ist. „Sag Hans-Jürgen, gibt es einen schöneren Ort auf dieser Welt?“ – „Nein“.

Das Meer ist wie die Liebe zu Florian: unerschöpflich, unergründlich, unermesslich… Ich nehme jeden Blick in mich auf, sauge diese Landschaft in mich ein, weiß doch, wie schnell diese Bilder wieder verblassen… es schmerzt, daran zu denken.

Ich spreche mit Florian und finde einen besonders schönen Herzstein und hinterlasse auch hier – wie im Jahr davor – einen Memory Stone.

Der Regen wird die Schrift längst gelöscht haben, dachte ich am nächsten Tag, der so grau und verhangen war, dass wir einen Lese- und Schreibtag machten.

In Marys verglaster Veranda war es gemütlich und trocken. Draußen schlug der Regen derart gegen die Fenster, dass ich an den Besuch einer Waschanlage in meinem Auto denken musste. Solch einen Regen gibt nur hier!

Nachmittags zog es uns doch nach draußen. Das launige Wetter schenkte uns ein paar trockene Stunden und die kleine Straße, die hinter Clifden nach Ballynahinch Castle führt, brachte uns erneut ins Reich der Melancholie.

Unbeschreiblich diese Moorlandschaft, eine Urlandschaft, kaum berührt und sie zwingt zum Hinsehen, denn ihr Licht, die Schatten, die die schnell dahinfliegenden Wolken auf den Tümpeln und kleinen Moorseen hinterlassen, sind stets nur einen Augenblick sichtbar. Dann wandelt sich das Licht und damit die Stimmung.

Hier zählen die Momente, jeder einzelne und ich realisiere in Irland mehr als sonst, dass unser Leben aus Momenten besteht, aufgereiht wie auf eine Perlenschnur…Moment nach Moment. Sie zu leben, sie zu nutzen, sie zu genießen, dies ist unsere Aufgabe, auch als Trauernde.

Wuchtig ragt das ehrwürdige Schloss Ballynahinch Castle aus dem Grün seiner Umgebung. Rhododendren mit Blüten so groß wie Fußbälle und in allen Blautönen – der Schmuck am Eingang.

Unauslöschbar ist dieser Ort mit Florian verbunden. Wir verbrachten hier 1998 eine Nacht mit ihm anlässlich Hans-Jürgens Geburtstag… mein Geschenk an ihn… und beim Cappucino im Pub des Schlosses tritt eine Stille zwischen uns. Jeder hängt seinen eigenen Bildern und Erinnerungen nach und wir schweigen und ich ziehe mich auf meine inneren vergangenen Welten zurück. Es ist oft nicht leicht, der Trauer, die jeder für sich anders an Intensität und Tiefe erlebt, eine Sprache zu geben. Auch wir schaffen es heute nicht.


" There is a deep beauty
hidden in the
luminosity at the heart
of the soul
... behind the dull
facade of our daily lives.
Only in your solitude
will you actually
find it, find the
neglected beauty of your life!"


John O'Donohue

Montag, 16. August 2010

Irland-Tagebuch 2006




Aus meinem Tagebuch 2006

27.08.2006

Wie bunt diese Stadt ist, wie lebendig, wie jung. Sie nimmt uns wieder gefangen mit ihrem Charme und ihrer Wärme. „Dirty old town“ – es passt so gar nicht mehr zu dem Dublin, das wir erleben. Nein, nichts bleibt wie es ist.

Müde fallen wir ins Bett und noch bevor ich die Kirchenglocke höre, falle ich in einen traumlosen Schlaf.

Abschied von Astrid und der Sonnenschein ist einem tiefen Grau gewichen, es regnet. Bevor wir uns trennen, lässt Astrid mich beim Frühstück eine „Engelkarte“ ziehen. Sie soll mir sagen, welcher Stern über diesen Tagen hier in Irland steht – und ich ziehe „Abundance“ (Fülle, Reichtum) „It is time for your life to flow with prosperity, love and success“… Es ist Zeit, dass dein Leben in Fülle, Liebe und Erfolg fliesst… Astrid versichert mir, es sei die beste Karte, die man ziehen könne, die beste aller möglichen Prognosen und ich höre es gerne.

Wir haben einen weiteren Tag für Dublin eingeplant – auf dem Programm steht ein Besuch im Trinity College. Hier wollte Florian studieren, von hier kam die Ablehnung, die ihn nicht mehr erreichte; die erste Enttäuschung, die ihm erspart blieb, wie Eimear am Telefon sagte.

Wir schlendern über den Campus, der um diese Zeit noch recht leer ist. Es sind noch Ferien und die potentiellen Besucher des „Book of Kells“ und des „Long Room“ noch beim Frühstück. So können wir die Ausstellung ohne lange zu warten betreten.

"Turning darkness into light" steht über dem ersten Bild im Eingang der Ausstellung zu lesen und dieser Satz treibt mir die Tränen in die Augen:
Er ist so schön, er ist wie eine stumme Botschaft. Ich nehme ihn tief auf in mich und mache ihn in diesem Augenblick zu meinem Lebensmotto: Finsternis in Licht verwandeln...

Ich bin tief berührt und lasse mich – in Gedanken versunken durch die abgedunkelten Räume treiben, die die Seiten aus dem „Book of Kells“ erklären, seine Bedeutung, seine Besonderheit und ich träume, trage den Satz in mir und fühle mich erfüllt.

Wir betreten gemeinsam den Raum, in dessen Mitte auf einen großen Tisch unter Glas das Buch liegt und wir sehen im gleichen Moment, was uns zusammenzucken lässt: Ein junger Mann, der Florian so ähnlich sieht, dass es uns den Atem nimmt und mich fast aufschreien lässt: Nie habe ich jemanden gesehen mit so viel Ähnlichkeit: Florians Haare, sein Haaransatz, seine Körpergröße und seine Gestalt. Nicht sein Gesicht, als er sich umdreht, aber diese sanften Gesichtszüge – unfassbar! Ich weine und kann nichts dagegen tun, ich kann meinen Blick nicht abwenden von diesem jungen Menschen, an dessen Seite ein Mädchen geht, die vom Typ Eimear ähnelt. Am liebsten möchte ich ihn berühren, sein Haar berühren.
Ich lasse mich weitertreiben – wir steigen zusammen die Treppe hoch, die zum „Long Room“ führt zu dieser wundervollen Bibliothek – sie sprechen mit einander und ich höre, dass es deutsch ist…

Was will Florian uns sagen? Was hat dies alles zu bedeuten?“ frage ich Hans-Jürgen und ich weiss im selben Augenblick die Antwort auf diese Frage: „Ich bin da. Ich bin bei euch – in eurer Nähe und manchmal wirst du mich in anderer Gestalt erkennen und dies soll dich daran erinnern, das ich nicht weg bin. Es gibt mich, Mom, das sollst du wissen – und daran erinnere ich dich“…und ein wärmendes tiefes Gefühl der Liebe und Dankbarkeit durchflutet mich:

„….Tag und Nacht gewinne ich an Einsicht
Und verwandle Finsternis in Licht“
(ein unbek. Mönch im 9. Jh. – aus dem Prospekt)

Die Eindrücke sind so tief, so berührend so „wunder“voll – Florian hat uns empfangen!
Der Regen hat aufgehört und vor der Bibliothek wartet eine lange Schlagen von Besuchern auf Einlass.

Zeit für einen Café im „Writers Museum“. Ich bin erschöpft und auch Hans-Jürgen ist einverstanden, das wir Dublin verlassen und uns auf den Weg machen, weitere Schätze Irlands zu entdecken.....
Und heute:
Dublin hat immer mit kleinen "Wundern" aufgewartet.. und vielleicht erzähle ich Euch einfach von dem einen oder anderen... bis es endlich wieder in diese Stadt geht!

Sonntag, 15. August 2010

Du warst...

"Du warst" -

das kann ich nicht hinnehmen,
es hört sich an wie:
verloren.

DU BIST

und wirst es immer sein,

in meinem Herzen,
in meinen Gedanken,
in meinen Träumen
in meiner Erinnerung."

(Maria Szczecinski)
aus "Das Land hinterm Wind"

Irland 2

...."Eine Insel ist ein umgrenzter Ort, eine spannungsgeladene Schwelle zwischen Himmel und Meer, Land und Licht. Im Westen Irlands herrscht wundervolles Licht. Das gemeine Einverständnis von Wolken, Regen, Licht und Landschaft birgt immer neue Überraschungen. Im Verlauf eines einzigen Morgens können draußen vor dem Fenster völlig verschiedene Landschaften auftauchen. Hin und wieder herrscht dichte Dunkelheit, dann reißt vielleicht die Wolkendecke auf, und plötzlich verleiht ein einzelner Lichtstrahl selbst einem Steinhaufen rätselhafte Präsenz. Oder das Licht spielt mit dem ernsten Antlitz eines Berges und verziert es mit einem bizarren Schattenmuster. Manchmal scheint es die Morgendämmerung sehr eilig zu haben, damit das Licht endlich hervorbrechen und mit der stillen Landschaft spielen kann.

Landschaften in diesem Licht sind eine endlose Augenweide. Die Landschaft wellt und wölbt sich. Jeder Ort ist buchstäblich anders, sticht klar gegen das Licht und den Ozean ab und ist von kraftvoller, dauerhafter Individualität. Selbst die unberührtesten, unwirtlichsten Landschaften besitzen Präsenz. Kein Mensch verweilte hier lang genug, um Anspruch auf sie zu erheben oder sie zu zivilisieren. Sie verharren in der Geborgenheit ihrer eigenen ursprünglichen Geschichte.

Solche Landschaften sind wilde Heiligtümer, weil sie vollkommen in sich selbst ruhen und uns leise in ihr Wissen und ihre Stille hineinziehen. Fast unmerklich weicht der inner Druck von der Seele. Die Sinne werden besänftigt, und die inwendige Erde in uns wird von dieser uralten Schönheit bewegt...."

John O'Donohue

Samstag, 14. August 2010

Irland


Langsam steigt die Vorfreude auf unsere Tage in Irland. Vom 24. August bis zum 2. September werden wir in "Florians Land" sein - eine kurze Zeit - aber darauf kommt es nicht an. Ich weiß, dass in dem Moment, in dem ich das Flugzeug verlasse und die irische Luft atme, mein Herz höher zu schlagen beginnt - und sich das Gefühl, "nach Hause zu kommen", einstellt...
"I'm coming Florian"... mein inneres Mantra auf dem Weg vom Flughafen Dublin zum Grosvenor Square .. "I'm coming, my love"... Und dann stehe ich vor dem Haus Nur 50 an dessen Tür noch immer die Hausnummer fehlt - und dann steigen wir die Treppen hinauf in der Hoffnung, dass uns jemand öffenet... "Here we are Florian - back again".... und dann betreten wir die Treppe und die Unfassbarkeit nimmt Besitz von meinem Herzen... und doch ist es so gut, da zu sein - dort zu sein, wo mein Sohn starb! Jahr um Jahr!

http://www.mojvideo.com/video-maria-mena-calm-under-the-waves/f821db5140a2b1cdf261

Donnerstag, 12. August 2010

Für John


"You Are Not Alone"

Another day has gone
I'm still all alone
How could this be
You're not here with me
You never said goodbye
Someone tell me why
Did you have to go
And leave my world so cold

Everyday I sit and ask myself
How did love slip away
Something whispers in my ear and says
That you are not alone
For I am here with you
Though you're far away
I am here to stay

But you are not alone
For I am here with you
Though we're far apart
You're always in my heart
But you are not alone

Just the other night
I thought I heard you cry
Asking me to come
And hold you in my arms
I can hear your prayers
Your burdens I will bear
But first I need your hand
Then forever can begin

Everyday I sit and ask myself
How did love slip away
Something whispers in my ear and says
That you are not alone
For I am here with you
Though you're far away
I am here to stay

For you are not alone
For I am here with you
Though we're far apart
You're always in my heart
For you are not alone

Whisper three words and I'll come runnin'
And girl you know that I'll be there
I'll be there

You are not alone
For I am here with you
Though you're far away
I am here to stay
For you are not alone
For I am here with you
Though we're far apart
You're always in my heart

For you are not alone
For I am here with you
Though you're far away
I am here to stay

For you are not alone
For I am here with you
Though we're far apart
You're always in my heart

For you are not alone...

http://www.myvideo.de/watch/2830006/Michael_Jackson_You_Are_Not_Alone

Für John, der so tapfer gegen den Krebs gekämpft hat und für alle, die um ihn trauern.
Rest in Peace, John und Du bist tatsächlich nicht alleine. Dort warten so viele auf Dich... Grüße sie von uns.

Mittwoch, 11. August 2010

immerfort



du weißt zur stunde
ihn an fernem ort
mit dem verstand
begreifst du seine ferne.

du weißt, es liegen zwischen ihm und dir
ein himmel sonne
und ein himmel sterne

und doch trittst du
ans fenster.

-immerfort.
(Reiner Kunze)

Dienstag, 10. August 2010

Tod



Was wissen wir
die Trauernden am Ufer
vom Los der Losgelösten
von der Freiheit
der Befreiten
wir die Gebundenen
die Gefangenen
im Schmerz

A. Schnitt

Montag, 9. August 2010

Für immer - nie mehr...

1999
2010
Heute lüfte ich noch einmal - an einem wunderschönen Spätsommertag - die Kleidung von Florian, die bisher nicht auf der Leine hing... Wie traurig kann ein Pullover sein - und wie viel kann er erzählen....

Liebe erträgt alles
Glaubt alles
Duldet alles
Höret niemals auf.

Bald sind wir in Irland - endlich!

Oft ist das Leben


Oft ist das Leben lauter Licht
Und funkelt freudefarben
Und lacht und fragt nach denen nicht,
Die litten, die verdarben.
Doch immer ist mein Herz bei denen,
Die Leid verhehlen
Und sich am Abend voller Sehnen
Zu weinen in die Kammer stehlen.

So viele Menschen weiß ich,
Die irren leidbeklommen,
All ihre Seelen heiß ich
Mir Brüder und willkommen.

Gebückt auf nasse Hände
Weiß ich sie abends weinen,
Sie sehen dunkle Wände
Und keine Lichter scheinen.

Doch tragen sie verborgen,
Verirrt, und wissen's nicht,
Durch Finsternis und Sorgen
Der Liebe süßes Licht.

Hermann Hesse

Foto: Cleggan, Irland, 2007

Sonntag, 8. August 2010

Eine Email über alle Horizonte


Wo bist du geblieben
was bleibt wenn du fortgegangen Lichtpunkte der Erinnerung
Fußabdrücke in der Landschaft
die wir durchwanderten
Spuren rundum in Räumen
der Begegnung in Bildern
die Geschichten erzählen
der Nachklang vieler Gespräche
eine Melodie die nie verklingt
im Gedächtnis gemeinsamer Tage

Annemarie Schnitt

Foto: Kinderbild Florian, 1981

Samstag, 7. August 2010

Fortschritt


Und wieder rauscht mein tiefes Leben lauter,
als ob es jetzt in breitern Ufern ginge.
Immer verwandter werden mir die Dinge
und alle Bilder immer angeschauter.
Dem Namenlosen fühl ich mich vertrauter:
Mit meinen Sinnen, wie mit Vögeln, reiche
ich in die windigen Himmel aus der Eiche,
und in den abgebrochnen Tag der Teiche
sinkt, wie auf Fischen stehend

R.M. Rilke

Freitag, 6. August 2010

Buchrezension "Vom Atmen unter Wasser"



Packend, schmerzhaft - und doch wunderschön!

Zuerst war der Film: „Vom Atmen unter Wasser“ und Lisa-Marie Dickreiter schrieb das Drehbuch dazu. Dass sie parallel dazu aus derselben Geschichte auch einen Roman entstehen ließ, war eine beglückende Eingabe und Idee, denn das, was Filme auslassen, können Worte erreichen – die Einbeziehung der eigenen Phantasie, des selbst Erlebten: ein ganz besondere Buch.

„Vom Atmen unter Wasser“ erzählt in einer ungewohnt präzisen, fesselnden Sprache vom Auseinanderbrechen einer Familie, in die der Tod von Sarah, der 16jährigen Tochter, wie ein Erdbeben eingebrochen ist – und nichts mehr so sein lässt, wie es einmal war.
Jeder der drei Protagonisten erlebt dieses Verbrechen, das nur aus den Gedankenfetzen der Mutter Anne noch einmal rekonstruiert wird, völlig anders und abgetrennt vom anderen:
Anne begeht am 1. Todestag von Sarah einen Suizidversuch und soll nun, auf Wunsch des Vaters Jo, der der unstillbaren Trauer seiner Frau völlig hilflos gegenüber steht, von Simon, dem gemeinsam Sohn, der das Elternhaus bereits verlassen hatte, beschützt werden.

Simon, der immer im Schatten seiner kleineren Schwester stand, und – unglaublich schön erzählt auf den ersten Seiten des Romans – als Kind einen Versuch machte, sich dieser kleinen, ungeliebten Schwester zu entledigen - zieht in das Elternhaus zurück und versucht auf seine Weise, mit Anne in Kontakt zu treten, sich ihr in ihrer Trauer zu nähern.

Für mich, die ich selbst trauernde Mutter bin und weiß, wie sich der Verlust eine Kindes anfühlt, sind die Szenen des Buches, die die Trauer von Anne und ihre Angst, Sarah könnte „verloren gehen“, aus der Welt fallen, so wie Anne selbst aus dieser Welt gefallen ist das Eindringlichste, Berührendste und Schönste, was ich seit langem gelesen habe:
Wenn Anne im Keller des Hauses den Wäschekorb, den sie vor den anderen versteckt hält, öffnet und die Wäschestücke, die Sarah getragen hat, einatmet, dann wird „Trauer“ sichtbar gemacht und ihr Ausmaß schmerzhaft erfahrbar!
Wenn Anne weiterhin mit Sarah spricht, Sarah dem kleinen Mädchen, Sarah am Abend des Mordes, als sie sich für die Party fertig macht und das Haus verlässt, dann ahnt man, dass dieses „Nichtloslassenwollen“, diese imaginäre Verbundenheit – ein wesentlicher Bestandteil der Trauer ist.
Jo hat den Zugang zu seiner Frau völlig verloren und aufgegeben. Simon gelingt er über ein gemeinsames Filmprojekt über Sarah und dieses „Mutter-Sohn-Projekt“ ist berührend schön geschrieben! Für kurze Zeit kann Simon Anne erreichen, dann trennen sich auch die Welten von Mutter und Sohn.

Hier noch einmal der kleine Monolog, der mich besonders berührt:
Anne (in die Videokamera von Simon):

„Manchmal hab ich einen sehr schönen Traum. Ich lauf durch die Strassen und zieh einen Koffer hinter mir her. Wenn mich etwas an Sarah erinnert, dann pack ich es ein. Eine Stimme... ein Lachen… dieselbe Haarfarbe…Ich finde immer mehr, mein Koffer füllt sich, wird schwer. Ich bin glücklich.
Ich geb dann den vollen Koffer am Friedhof ab, und da steht sie am Tor und wartet auf mich. Ich wink und renn auf sie zu. Und sie steht da und lächelt. Ich renn schneller – dann wach ich auf.“

Unsere Gesellschaft ist sich offenbar darin einig, dass der Tod eines Kindes das Schrecklichste ist, was einer Familie, einer Mutter, einem Vater widerfahren kann. In der konkreten Konfrontation allerdings erweisen sich eben diese Menschen sehr oft als unfähig zum entsprechenden Verständnis und der notwendigen Toleranz.
Dass es einer jungen Autorin gelingt, ein Familienschicksal so authentisch und überzeugend in einer immer wieder überwältigenden Sprache niederzuschreiben, das grenzt für mich an ein buchstäbliches Wunder. Ich möchte dieses Buch vor allem auch Menschen in der Trauer sehr ans Herz legen. Unter meinen Büchern hat es schon jetzt einen besonderen Platz!

Ich hoffe, dass wir von Lisa-Marie Dickreiter noch viel zu lesen bekommen und freue mich auf das nächste Werk von ihr! Danke, liebe Lisa-Marie Dickreiter für dies herausragende Buch!

Gabriele Gérard

Donnerstag, 5. August 2010

Wie oft


Wie oft
holt uns die Erinnerung ein
an erloschene Gesichter
die plötzlich aufleuchten
wie vom Blitzlicht getroffen
lachende Gesichter
auferstanden aus dem Vergessen
Wie oft
holt uns die Erinnerung ein
an Worte und Gesten
an Staunen und Verstummen
an Stirnrunzeln und Zuspruch
zugewandte Gesichter
auferstanden aus dem Vergessen
Wie oft
holt uns die Erinnerung ein
lebt Erloschenes auf
unauslöschlich
in der dahinziehenden Zeit
lebendige Gesichter
auferstanden aus dem Vergessen
Wie oft noch
holt uns die Erinnerung ein
Gesichter aufzuheben
von Gleisen des Vergessens

A. Schnitt

Foto: Florian, 1981 auf der Fähre nach Korsika

Mittwoch, 4. August 2010

Vom Atmen unter Wasser

"Für immer - nie mehr"!

Das Warten hat ein Ende: In wenigen Tagen erscheint das Buch von Lisa-Marie Dickreiter.
Ich hatte das Privileg, das Buch bereits lesen zu dürfen und ich möchte es Euch ganz besonders ans Herz legen.
Selten - sehr selten habe ich TRAUER so authentisch so berührend in einem Roman "gelesen" - mich, in meiner eigenen Trauer, so verstanden gefühlt - und gerade dies hat mich dankbar gemacht, weil dieses Buch (hoffentlich) einen großen Kreis an LeserInnen erreichen wird, der sich diesem Thema TRAUER "ein Buch lang" widmet. Man kann sich der eindringlichen Sprache und der inneren Bilder nicht entziehen.

Ich danke Lisa sehr für dieses Buch - so wie ich ihr und Winfried Oelsner für den Film dankbar war und bin.
Hier noch einmal ein Ausschnitt aus dem gleichnamigen Film:
http://www.youtube.com/watch?v=ZVt7unZH8A0&amp%3Bfeature=related

Lisas website: http://www.lisadickreiter.com/

Dienstag, 3. August 2010

Nur wer...



Nur wer die dunklen Wolken
je geshen hat
kann das Blau des Himmels ganz ermessen.

Nur wer einmal
ganz allein am Ufer steht
lernt zu fragen
wo die Brücken sind.

Nur wer Einsamkeit
geatmet hat
kann sich an der lauten Turbulenz
der Feste freuen.

Nur werd die stillen Täler
des Leids durchschritten hat
kann sich an den Blumen
der Wüste freuen.

Hermann Traub

Foto: Sebastian Gross

Nicht ein Atom...

Nicht ein Atom des Körpers wird vergehen und nicht ein Hauch von Seele.Sobald der Nordwind den Saum des Geistes zusammenrafft,wird sich der Ostwind erheben und ihn entfalten.

Khalil Gibran

Montag, 2. August 2010

Precious moments..

Precious moments how they linger
How they ever flood my soul
In the stillness of the midnight
Precious memories sacred scenes unfold

Bob Dylan

Foto: Florian auf einem Camphill-Ausflug mit zwei seiner "specials" - ein wunderschönes Foto,
das von seinem Glück in Irland spricht.
In einigen Wochen wir Camphill besuchen und ich weiß, dass sich - gerade die "specials" auch heute noch an Florian erinnern. "...Are you Florians Mom?"... Wie gut, es immer noch zu hören?

Sonntag, 1. August 2010

Das Leben...


Das Leben ist wundersam und zaubervoll
und hinreißend und in Schönheit strahlend
und selig und magisch und gaukelnd und unergründlich.
Es duftet die Blume Jelängerjelieber, und in
Italien wächst die Zypresse, und in Potsdam
lehnt ein Mädchen über eine Balustrade,
mit wehendem Haar. Sie ist das Glück.

Du wirst verwehen und vergehen,
wie diese schweren, lauen Regentropfen,
die in das Wasser vor uns fallen.
Ich selber muss verwehen und vergehen.

Und lange vor uns wird diese Liebe verweht sein
und vergangen sein.
Aber sie ist doch einmal dann in der Welt gewesen –
wenn die Büsche duften, die Junierde dampft
Und die Sterne singen.

(Alfed Kerr)