Donnerstag, 17. Juni 2010

Denn Bleiben ist nirgends...



Die tiefsten Erfahrungen meines Lebens treffen darin überein, dass sie mich dazu bewegen, den Tod als einen anderen Teil dieser Flugbahn zu akzeptieren, deren schwindelerregender Kurve wir folgen, ohne auch nur einen Moment innehalten zu können. Ich fühle mich immer mehr dazu bewogen, aus meiner vorläufigen Position mit All dem übereinzustimmen, wo sich Tod und Leben durchdringen und ständig verwechseln.

Mein Engel des Jasagens wendet eine strahlende Figur gegen den Tod.

Obgleich das Leben so viel mehr benötigt, ist es besonders der Tod, auf dem die bösen Verdächtigungen lasten, dass ich ihn gerade rehabilitieren würde, indem ich ihm diesen zentralen Ort zuweise, den er niemals verlassen hat, aber von dem man die Augen abgewandt hat. Es scheint mir meine Aufgabe, zu zeigen, dass der Tod einer der Reichtümer in all dem wundervollen Ganzen ist, von dem das Leben vielleicht nur der kleinste Teil ist, obgleich es selbst schon so reich ist, dass es alle unsere Mittel und alle unsere Maßstäbe übertrifft.

Damit wir so gänzlich in die Veränderung einstimmen, brauchen wir als Grundlage beständige und andauernde Ereignisse.

Ich kann ebenso bestätigen, dass ich mich so "einig in Geist und Körper" fühle, und dass, sobald ich unendlich mit diesen notwendigen Veränderungen und all den Abschieden übereinstimme, die der größere Rhythmus uns auferlegt, der Nebel all dieser Veränderungen sich lichtet, dank unserer Flamme, die dort hindurch geht, ohne jemals zu verlöschen.


Rainer Maria Rilke
Denn Bleiben ist nirgends
Foto: Mutters Hände

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