Dienstag, 17. August 2010

Seelenlandschaft

Ballynahinch Castel
Bog Road Clifden Connemara

"Wild Heather B+B", Cleggan (leider inzwischen geschlossen)

Blick aus dem B+B
Memory Stone
Weiterer Auszug aus meinem Irland-Tagebuch 2006
....Die Landschaft der Seele ist so weit wie die einsame Bergwelt Connemaras, so tief wie das Meer und so klar wie ein stiller See. Sie ist geprägt von der unendlichen Sehnsucht nach Geborgenheit, der Polarität von Distanz und Nähe, Aufbruch und Heimkehr, Verlangen und Erfüllung. im Getöse unserer modernen Welt vergessen wir nur allzu häufig, der Stimme unserer Sehnsucht zu lauschen..

Je näher wir unserem Ziel, Cleggan kommen, desto stiller werden auch wir. Ab Galway kennen wir den Weg – und er führt uns immer tiefer in diese so besondere Landschaft.

Als wir in unserem B+B „Wild Heather“ – bei Mary am Tisch sitzen, den Blick über die heideblühenden Weisen, die sich bis zum Meer ausdehnen, schweifen lassen, einen heißen Tee trinken und die frisch gebackenen Scones essen, wissen wir, dass wir endlich angekommen sind – „zu Hause“ in Irland.

Leider hatten wir den Regen aus Dublin mitgenommen und erst an meinem Geburtstag durchbrach die Sonne den grauen Himmel und bescherte uns den wärmsten Tag seit unserer Ankunft.

Wir suchten unsere Lieblingsplätze entlang der Cleggan Bay und liefen lange entlang der Küste, die so wild, so rau und so wunderschön ist. „Sag Hans-Jürgen, gibt es einen schöneren Ort auf dieser Welt?“ – „Nein“.

Das Meer ist wie die Liebe zu Florian: unerschöpflich, unergründlich, unermesslich… Ich nehme jeden Blick in mich auf, sauge diese Landschaft in mich ein, weiß doch, wie schnell diese Bilder wieder verblassen… es schmerzt, daran zu denken.

Ich spreche mit Florian und finde einen besonders schönen Herzstein und hinterlasse auch hier – wie im Jahr davor – einen Memory Stone.

Der Regen wird die Schrift längst gelöscht haben, dachte ich am nächsten Tag, der so grau und verhangen war, dass wir einen Lese- und Schreibtag machten.

In Marys verglaster Veranda war es gemütlich und trocken. Draußen schlug der Regen derart gegen die Fenster, dass ich an den Besuch einer Waschanlage in meinem Auto denken musste. Solch einen Regen gibt nur hier!

Nachmittags zog es uns doch nach draußen. Das launige Wetter schenkte uns ein paar trockene Stunden und die kleine Straße, die hinter Clifden nach Ballynahinch Castle führt, brachte uns erneut ins Reich der Melancholie.

Unbeschreiblich diese Moorlandschaft, eine Urlandschaft, kaum berührt und sie zwingt zum Hinsehen, denn ihr Licht, die Schatten, die die schnell dahinfliegenden Wolken auf den Tümpeln und kleinen Moorseen hinterlassen, sind stets nur einen Augenblick sichtbar. Dann wandelt sich das Licht und damit die Stimmung.

Hier zählen die Momente, jeder einzelne und ich realisiere in Irland mehr als sonst, dass unser Leben aus Momenten besteht, aufgereiht wie auf eine Perlenschnur…Moment nach Moment. Sie zu leben, sie zu nutzen, sie zu genießen, dies ist unsere Aufgabe, auch als Trauernde.

Wuchtig ragt das ehrwürdige Schloss Ballynahinch Castle aus dem Grün seiner Umgebung. Rhododendren mit Blüten so groß wie Fußbälle und in allen Blautönen – der Schmuck am Eingang.

Unauslöschbar ist dieser Ort mit Florian verbunden. Wir verbrachten hier 1998 eine Nacht mit ihm anlässlich Hans-Jürgens Geburtstag… mein Geschenk an ihn… und beim Cappucino im Pub des Schlosses tritt eine Stille zwischen uns. Jeder hängt seinen eigenen Bildern und Erinnerungen nach und wir schweigen und ich ziehe mich auf meine inneren vergangenen Welten zurück. Es ist oft nicht leicht, der Trauer, die jeder für sich anders an Intensität und Tiefe erlebt, eine Sprache zu geben. Auch wir schaffen es heute nicht.


" There is a deep beauty
hidden in the
luminosity at the heart
of the soul
... behind the dull
facade of our daily lives.
Only in your solitude
will you actually
find it, find the
neglected beauty of your life!"


John O'Donohue

1 Kommentar:

Andrea hat gesagt…

Liebe Gabi,

deine Irland-blogs sind toll. Weisst du bei welchem Bild ich immer traurig werde. Die Treppen zur Wohnung von Florian.... ich frage mich dann "Florian, wie oft bist du hier froehlich raufgelaufen, langsam hochgegangen, weil du schwere Einkaeufe schleppen musstest, nach unten gesprungen.... bist du wie Lukas gesprungen? Immer ein paar Stufen gleichzeitig .... hast du auch mal auf der Treppe gesessen und auf Eimear warten muessen, weil du den Schluessel vergessen hast.... ?" Jetzt sieht er seine Mum Jahr fuer Jahr diese Stufen hochgehen ... traurig, langsam... hoffen, dass jemand die Tuer aufmacht, so dass sie hineingehen kann .... an die Stelle treten wo er starb.......

Bald wirst du bei ihm sein... Florian ganz nahe und ich wuensche dir und H.J. eine wundervolle Zeit in Irland... und das sie euch begegnen, die Wunder.

Deine Andrea