Donnerstag, 25. September 2008

Du, weißt du...


Du, weißt du, wie der Regen weint,
und wie ich geh' erschrocken bleich,
und nicht weiß, wohin zu flieh'n?
Wie ich verängstigt nicht mehr weiß:
Ist es mein Reich, ist es nicht mein Reich,
gehört die Nacht mir, oder ich, gehör' ich ihr,
und ist mein Mund, so blaß und wirr,
nicht der, der wirklich weint ... ?

Selma Meerbaum-Eisinger

Dienstag, 23. September 2008

Die Seele



DIE SEELE


Wenn Nacht begräbt des Staubes Schmerzen,
Wohin wird, ach die Seele fliehn?
Sie stirbt nicht - aus erloschnem Herzen
Muss sie zu anderen Reichen ziehn.
Wird sie entkörpert dann auf Sternen
Und Schritt um Schritt zum Himmel gehn?
Wird sie sogleich des Weltalls Fernen,
Ein lebend Aug´entschleiert sehn?
Unendlich, ewig, nie verwesend,
Allsehend aber unsichtbar,
Das Buch der Erd´und Himmel lesend,
Schaut sie im Geist, was ist und war;
Die schwächste Spur aus grauen Jahren;
Die im Gedächtnis dämmern mag,
Das Bild der Dinge, welche waren,
Steht wieder da wie heller Tag.
Zurück ins gärende Gewimmel
Des Chaos taucht sie, und hinauf
Bis zur Geburt der letzten Himmel
Sucht sie der Dinge grossen Lauf.
Durch künft´ges Werden und Verderben
Umspannt ihr Blick den Flug der Zeit,
Ob Sonn´erlischt und Welten sterben
Reglos in seiner Ewigkeit.
Hoch über Lieb´und Hass und Trauer
Lebt sie in reiner, tiefer Ruh´;
Äonen fliehn wie Jahresdauer,
Und Erdenjahre wie ein Nu.
Weit, weiter schwebet ohne Schwinge,
Ein ew´ger namenloser Geist,
durchs All und übers All der Dinge,
Und weiss nicht mehr, was Sterben heisst.

Lord Byron

Montag, 22. September 2008

Du bist über mir



Du bist über mir
wie ein weit offener Himmel;
ich atme deine Freiluft.

Du bist unter mir
wie ein frischer fester Boden
der mich trägt
und unter meinen Schritten lebt.

Du bist in mir.
Ich fühle deine Kraft
als meine.
Ich bin erweitert
um deine Lebendigkeit.

Dich zu beschreiben,
weiß ich keine Sprache
außer der des Schweigens.
Bilder zeigen deinen Weg nicht,
Worte suchen vergeblich deine Spur.


Hans Kruppa

Montag, 15. September 2008

Zärtlich blickte er ...

„Zärtlich blickte er in das strömende Wasser, in das durchsichtige Grün, in die kristallenen Linien seiner geheimnisreichen Zeichnung. Lichte Perlen sah er aus der Tiefe steigen, stille Luftblasen auf dem Spiegel schwimmen, Himmelsbläue darin abgebildet. Mit tausend Augen blickte der Fluß ihn an, mit grünen, mit weißen, mit kristallnen, mit himmelblauen. Wie liebte er dies Wasser, wie entzückte es ihn, wie war er ihm dankbar! Im Herzen hörte er die Stimme sprechen, die neu erwachte, und sie sagte zu ihm: Liebe dies Wasser! Bleibe bei ihm! Lerne von ihm! Oh ja, er wollte von ihm lernen, er wollte ihm zuhören. Wer dies Wasser und seine Geheimnisse verstünde, so schien ihm, der würde auch viel anderes verstehen, viele Geheimnisse, alle Geheimnisse.
Von den Geheimnissen des Flusses aber sah er heute nur eines, das ergriff seine Seele. Er sah: dies Wasser lief und lief, immerzu lief es, und war doch immer da, war immer- zu allezeit dasselbe und doch jeden Augenblick neu! Oh, wer dies faßte, dies verstünde! Er verstand und faßte es nicht, fühlte nur Ahnung sich regen, ferne Erinnerung, göttliche Stimmen...“

(Hermann Hesse)

Alles ist im Fluss

Und da ich nun schon auf hoher See dahinfahre und die vollen Segel im Wind ausgesetzt habe:
Es gibt im ganzen Weltkreis nichts Beständiges. Alles ist im Fluss, und jedes Bild wird gestaltet, während es vorübergeht.
Ja, auch die Zeiten gleiten in ständiger Bewegung dahin, nicht andersals der Strom.
Denn stillstehen kann weder der Fluss noch die flüchtige Stunde,
sondern wie die Woge getrieben wird und im Herankommen zugleich gedrängtwird und die Vorgängerin verdrängt, so fliehen die Zeiten und folgen zugleich.
Stets sind sie neu; denn was vorher gewesen ist, das ist vorüber;
es wird, was nicht war, und der Augenblick entsteht neu.

(Publius Ovidius Naso)

Und da ich...



Und da ich nun schon auf hoher See dahinfahre und die vollen Segel im Wind ausgesetzt habe:
Es gibt im ganzen Weltkreis nichts Beständiges.
Alles ist im Fluss, und jedes Bild wird gestaltet, während es vorübergeht.
Ja, auch die Zeiten gleiten in ständiger Bewegung dahin, nicht anders als der Strom.
Denn stillstehen kann weder der Fluss noch die flüchtige Stunde,
sondern wie die Woge getrieben wird und im Herankommen zugleich gedrängt wird und die Vorgängerin verdrängt, so fliehen die Zeiten und folgen zugleich.
Stets sind sie neu; denn was vorher gewesen ist, das ist vorüber; es wird, was nicht war,
und der Augenblick entsteht neu.

(Publius Ovidius Naso)

Sonntag, 7. September 2008

Das Meer ist meine Seele


Ich bin ein Boot
ohne Wind
Du warst der Wind
Ob ich in deine Richtung wollte?
Wer fragt nach Richtung,
wenn er so einen Wind hat

Olav H Hauge


Das Meer ist meine Seele

Diesen Titel trägt auch ein Text von Heinrich Heine, den ich an der Ostsee in einem kleinen Buch fand – und dieser Text animierte mich dazu, meine eigenen Empfindungen und Gedanken der Tage am Meer festzuhalten.

Was ist es, das meinem Herzen so wohl tut, sobald meine Füße den Stand betreten, meine Augen sich der Weite bemächtigen. Der Horizont, an dem Meer und Himmel sich kaum unterscheiden lassen, manchmal durch eine dunkle Linie getrennt, vermitteln ein Gefühl von unendlicher Weite, von Endlosigkeit, nichts, was den Blick beengt, begrenzt.

Dein Herz, so wild es sonst gebrannt,
Wird wieder still, wird wieder Kind
Und ruht wie Sonne, Meer und Wind
In Gottes Hand

schreibt Hesse und diese Zeilen berühren mich sehr. Am Meer ist mir, als würde der Wind meine Gedanken ordnen, Ängste und Zweifel mit sich nehmen. Die Weite, sie rückt die Dinge in eine andere Relation. Mir wird bewusst, welch winziges Sandkorn der Einzelne im Weltall ist – und ich werde ruhig die Seele entspannt sich. Das Universum entfaltet sich seiner Bestimmung gemäß und tröstet mich- in meinem kleinen großen Schmerz um mein „Sternenstäubchen“. Die Erinnerung hört auf, nur Sehnsucht zu sein und wird für einen Augenblick Befreiung. Nicht der Schmerz, nicht die Sehnsucht sind im Vordergrund sondern die Liebe, die unendlich, nie endende Liebe – weit und tief wie das Meer!
Die Seele und der Körper schöpfen Kraft. Am Stand zu laufen, zu sitzen, zu schauen, zu träumen, die gedankenvolle eigene Welt in mir zu spüren, die sanfte, Energie spendende Musik der Wellen, wenn diese am Ufer nagen und zugleich Mitgeführtes zurück lassen streichelt die kreisenden Gedanken und lässt mich erschauern beim Ahnen der Tiefe und Weite die ich nicht zu fassen vermag.
Es ähnelt dem Denken, das ich im Zusammenhang mit dem Tod habe: Da ist das Erlösende des odes auf der einen Seite des Hoffens und andererseits das unwissende Zweifeln und die Angst, dass der Glaube im Nichts stranden könnte.

Das Meer – es steht für das Beständige, das Bleibende. Das Wissen, zurückkommen zu können – und etwas wieder zu finden, unverändert, unverlierbar. Die Küsten haben unterschiedliche Gesichter – aber das Gefühl das mich dort ergreift, ist ein ähnliches. Ich fühle mich befreit von großer Last!

Spaziergänge am Meer sind eine Freude. Die auslaufenden Wellen über die Füße springen zu lassen, den Blick nach unten gerichtet auf Millionen von Steinchen und Muscheln, sie in ihren mannigfaltigen Formen und Farbenwundern zu entdecken, zu sammeln. Steine, die die Form von Herzen haben – sie sind die Grußboten von Florian, Hühnergötter, die ich später auf Ketten reihe. Steine, die Buchstaben tragen. Sie alle werden angespült und wieder abgeholt und es ist dieser einzigartige Moment, in dem man findet - der wieder vergeht.

Als das Meer mir eine kleine nasse Feder in die Hände spülte, war sie grau, dünn und vom salzigen Wasser durchtränkt.
Sie erinnerte mich an Tage, an denen ich ebenso traurig ausgesehen haben mochte, wenn Tränen mein Gesicht bedeckten.
Ich nahm sie mit nach Hause, säuberte das kleine Kunstwerk und legte es auf meinen Schreibtisch.
Mit jeder Stunde wurde die Feder heller, bis sie strahlend weiß, leicht und glänzend vor mir lag.
An manchen grauen Tagen lege ich sie mir in die Hand und beginne wieder zu
lächeln




Donnerstag, 4. September 2008

Ideen Khalil Gibran



..."Wenn die Vögel singen, rufen sie dabei die Blumen des Feldes oder sprechen sie mit Bäumen oder ist ihr Gesang nur ein Widerhall dessen, was das Bächlein murmelt?
Der Mensch mit all seiner Klugheit kann nicht verstehen, was die Vögel sagen oder was der Bach vor sich hinmurmelt oder was die Wellen flüstern, wenn sie langsam und sanft den Strand berühren.
Der Mensch in all seiner Klugheit kann nicht verstehen, was der Regen spricht, wenn er auf die Blätter in den Bäumen fällt oder wenn er aufs Fensterbrett tropft. Er weiß nicht, was der flüchtige Wind den Blüten zu erzählen hat.
Aber das Herz des Menschen ist imstande, die Bedeutung dieser Stimmen zu fühlen und zu begreifen. Oftmals bedient sich die ewige Wahrheit einer geheimnisvollen Sprache,. Seele und Natur unterhalten sich miteinander, während der Mensch abseits steht, sprachlos und verwirrt. Und hat der Mensch nicht Tränen vergossen über diese Stimmen? Sind seine Tränen nicht ein beredtes Zeugnis seines Verstehens?"

Khalil Gibran, Ideen

Wenn wir genau hinsehen


Wenn wir genau hinsehen,
Gehen Lichtlinien
Durch die Finsternisse
Und das Schweigen
Unseres Lebens,
Und gelegentlich
Sammelt sich das Licht
Zu kleinen Lichtpfützen,
Auf denen es möglich ist,
Zu segeln,
In das alltäglich Leben hinein,
Oder aus ihm fort
In die Welten,
Die es noch zu entdecken gibt.


(U. Schaffer)