Freitag, 31. Oktober 2014

Eine Weile noch bleiben


Eine Weile noch bleiben
nah am Wort 

im Spielraum der Sprache



im Stromkreis der Sterne



im Lichtkreis der Sonne


zu erwärme die  Stirn

Verborgenes heimlich

 

zum Blühen zu bringen

Annemarie Schnitt

Foto: B. Rahmati

Dienstag, 28. Oktober 2014

Wenn ..




wenn ich jetzt an dich denke
entsteht in meinem Kopf
ein freier Raum
eine Art Vorraum zu dir
in dem sonst nichts ist
 ich stelle fest
am Ende jedes Tages
daß viel mehr freier Raum
in meinem Kopf
übrig gewesen sein muß
als ich sonst glaubte

- Erich Fried -

Sonntag, 26. Oktober 2014

Du, weißt du ...


Du, weißt du, wie ein Rabe schreit?
Und wie die Nacht, erschrocken bleich,
nicht weiß, wohin zu fliehn?
Wie sie verängstigt nicht mehr weiß:
Ist es ihr Reich, ist es nicht ihr Reich,
gehört sie dem Wind oder er ihr,
und sind die Wölfe mit ihrer Gier
nicht zum Zerreißen bereit?
Du, weißt du, wie der Wind schrill heult
und wie der Wald, erschrocken bleich,
nicht weiß, wohin zu fliehn?
Wie er verängstigt nicht mehr weiß:
Ist es sein Reich, ist es nicht sein Reich,
gehört er dem Regen oder der Nacht
und ist der Tod, der schauerlich lacht,
nicht sein allerhöchster Herr?
Du, weißt du, wie der Regen weint?
Und wie ich geh’, erschrocken bleich,
und nicht weiß, wohin zu fliehn?
Wie ich verängstigt nicht mehr weiß:
Ist es mein Reich, ist es nicht mein Reich,
gehört die Nacht mir, oder ich, gehör’ ich ihr,
und ist mein Mund, so blaß und wirr,
nicht der, der wirklich weint?

4.3.1941 (aus Selma Meerbaum-Eisinger.: Ich bin in Sehnsucht eingehüllt. 
Gedichte eines jüdischen Mädchens an seinen Freund.
Hrsg. von Jürgen Serke, 1984)

Bild: Ari Scheffer

Samstag, 25. Oktober 2014

Das Schicksal

   

Das Schicksal
dein Geschick
mein Geschick

was ist es  das Schicksal

das unser Leben beschickt

sich einzeichnet in dein Sein

das Schicksal

dem du  gewachsen bist

einzig mit wachem Kopf  

mit klaren Sinnen


Annemarie Schnitt 

Neue Texte von Dir, liebe Annemarie. Wie sehr ich Dir danke!!

Freitag, 24. Oktober 2014

Golden Leaves

Passenger - Golden Leaves  
 .... und ich denke beim Herbst - wie jedes Jahr - 
an Florians kleinen Text:

„Mittlerweile hat der Herbst Einzug gehalten. Er kam schnell und ohne Vorwarnung, aber man kann seine Spuren nicht übersehen – die Bäume verlieren langsam ihr saftiges Grün, welches braun den Boden bedeckt. Das schönste an dieser Jahreszeit ist das außergewöhnliche einzigartige Licht, dieses extrem helle, grelle Gelb, was die Natur so anstrahlt, als wäre sie die Quelle des Strahlens.“

(Florian 1998)
  
 Florians Baum im Garten

Mittwoch, 22. Oktober 2014

Hätt ich ein Wort

 
Hätt ich ein Wort
dir auf den Weg mitzugeben
ich schwiege
und gäb dir den Weg stattdessen
und am Strassengraben
blühten Worte
wie helle Schweigsamkeiten

  Bertil Pettersson 
 Bild: William John Leech

Dienstag, 21. Oktober 2014

Stille kann sein




Stille kann sein wenn das Gewicht des Lebens nur Schwere ist 
wenn die Ruhe den Hunger in unserer Mitte füllt 
darf Stille sein
 
  Beatrix Brockman

Sonntag, 19. Oktober 2014

Ich werde vortäuschen


Ich werde vortäuschen, dich zu vergessen,
damit mein Herz werde was es war.
Doch ich weiß im Voraus, dass bei diesem Tun
Mein Schmerz noch heftiger wird,
noch ewiger währet meine Melancholie

Avicienna

Freitag, 17. Oktober 2014

Ich liege in der Dunkelheit



Ich liege
in der Dunkelheit
und suche nach dir
in meiner Seele -
die mit deiner
verbunden ist
und schon

verbunden war,
bevor wir uns
zum ersten Mal
begegnet sind.


Hans Kruppa


My song for you:

Autumn Leaves
 

Dein Name




Dein Name ist auf meinen Lippen,

Dein Bild vor meinen Augen,

Deine Erinnerung in meinem Herzen:

Wie könntest Du abwesend sein?

           (Ibn al-Arabî)


Geliebter Sohn,
es ist der Tag Deiner Geburt und es ist der Tag, an dem sich mein Leben drehte.
"I built my world around you"  und Du lehrtest mich, was nichts sonst in der Welt uns lehren kann: Mutter, Eltern zu sein.  Das bleibt!  Meine Liebe, meine Loyalität, sie bleiben und meine wunderbaren Erinnerungen.
Ich will versuchen, die Freude und Dankbarkeit, Dich bei mir gehabt zu haben heute in den Vordergrund zu stellen... die Sehnsucht, die Trauer - sie sind meine Schwestern - jeden Tag!


Happy Birthday in Heaven beloved Son!
in eternal love
Mom
 

Donnerstag, 16. Oktober 2014

Dante's Prayer




Ein Lied von Loreena Mc Kennitt, das ich jahrlang für Florian zu 
"seinen Tagen" hörte und das mich auch heute noch sehr ergreift! 

Morgen begehen wir seinen 38igsten Geburtstag...
und nur 23 Jahre durften wir ihn bei uns haben... 

Mittwoch, 15. Oktober 2014

Das Wachsen von Träumen

Das Wachsen von Träumen
macht Angst
als fehlten die Flügel
diese Mauern
zu überfliegen.

Schrei nach
einer Hand, einer Tür,
aus Fleisch, aus Holz


(aus Hilde Domin: Hier. Gedichte, 1964)
Bild: Alexi Zaitsev

Dienstag, 14. Oktober 2014

Sprachlos




Erst kennt man sich mit den Worten nicht aus
Und später nicht mehr mit dem Leben.
Noch immer ist es das selbe Haus.
Doch nun sieht man den Abgrund daneben.

Also wie sich halten? Von Tag zu Tag
Seine Pflicht tun. Doch was ist die Pflicht?
Wir sind nicht mehr sicher. Wir urteilen zag.
Und was kommt, das wissen wir nicht.

Von Altersweisheit keine Spur.
Der Sinn ist nicht zu verstehen.
Eine kleine Güte. Ein Lächeln nur.
Und einfach weitergehen.


(aus: Eva Strittmatter
Liebe und Haß. Die geheimen Gedichte 1970-1990. Berlin 2000)
Bild: Ben Gossens 

Montag, 13. Oktober 2014

Naher fremder Mensch



 
Naher
fremder Mensch
Ich kenne nicht deine Geschichte
weiß nichts von deinen Sehnsüchten
spüre nur
du suchst
meine Nähe
Naher
fremder
Mensch
du trittst hervor
gehst auf mich zu
Zurückhaltung und Neugier
verpasste Gelegenheit
geglückte Begegnung
Spannungsbogen zwischen Menschen"

Margot Bickel