Sonntag, 13. März 2011

Time out

Sicher wohnen

du brauchst einen Standort
im Weltgetriebe
ein Standbein
in der Weitläufigkeit
eine eigene Meinung
im Disput
sicher zu wohnen
wo immer du wohnst

Annemarie Schnitt


Liebe LeserInnen meines blogs, liebe FreundInnen,
es sieht so aus, als habe mein Leben mit Zypern einen neuen Standort gefunden - neben Irland und meinem zu Hause in Berlin. Und so machen wir uns auf, die Sonneninsel zu erkunden.

Ich freue mich sehr auf neue Eindrücke, inspierende Begegnungen, sowie die Ruhe und Stille dieser wunderschönen Insel.

Euch allen sehr liebe Grüße und einen guten Start in den beginnenden Frühling. Sanfte Stunden im Licht mit allen Lieben - den Lebenden und den Verstorbenen!

Gabriele
Bleibt behütet und beschützt! 
"Wenn ihr mich sucht, sucht mich in euren Herzen..."

R.M. Rilke






Samstag, 12. März 2011

Sonett

So viele Melodien
die den Tag beleben
aus Tönen sich ergeben
die durch die Stunden ziehen

Einer horcht auf und singt
ein anderer bleibt ohne Lied
das ihn weckt und weiterzieht
damit der Tag gelingt

es gibt die dunklen Stunden
wo du kein Lied gefunden
das dich betört

es gibt die hellen Tage auf der Welt
wo ein Lied vom Himmel fällt
das dir gehört

Annemarie Schnitt

Donnerstag, 10. März 2011

aus: Siddhartha I

Lange noch brannte die Wunde. Manchen Reisenden mußte Siddhartha über den Fluß setzen, der einen Sohn oder eine Tochter bei sich hatte, und keinen von ihnen sah er, ohne daß er ihn beneidete, ohne daß er dachte: "So viele, so viel Tausende besitzen dies holdeste Glück--warum ich nicht? Auch böse Menschen, auch Diebe, und Räuber haben Kinder, und lieben sie, und werden von ihnen geliebt, nur ich nicht." So einfach, so ohne Verstand dachte er nun, so ähnlich war er den Kindermenschen geworden.

Anders sah er jetzt die Menschen an als früher, weniger klug, weniger stolz, dafür wärmer, dafür neugieriger, beteiligter. Wenn er Reisende der gewöhnlichen Art übersetzte, Kindermenschen, Geschäftsleute, Krieger, Weibervolk, so erschienen diese Leute ihm nicht fremd wie einst: er verstand sie, er verstand und teilte ihr nicht von Gedanken und Einsichten, sondern einzig von Trieben und Wünschen geleitetes Leben, er fühlte sich wie sie. Obwohl er nahe der Vollendung war, und an seiner letzten Wunde trug, schien ihm doch, diese Kindermenschen seien seine Brüder, ihre Eitelkeiten, Begehrlichkeiten und Lächerlichkeiten verloren das Lächerliche für ihn, wurden begreiflich, wurden liebenswert, wurden ihm sogar verehrungswürdig. Die blinde Liebe einer Mutter zu ihrem Kind, den dummen, blinden Stolz eines eingebildeten Vaters auf sein einziges Söhnlein, das blinde, wilde Streben nach Schmuck und nach bewundernden Männeraugen bei einem jungen, eitlen Weibe, alle diese Triebe, alle diese Kindereien, alle diese einfachen, törichten, aber ungeheuer starken, stark lebenden, stark sich durchsetzenden Triebe und Begehrlichkeiten waren für Siddhartha jetzt keine Kindereien mehr, er sah um ihretwillen die Menschen leben, sah sie um ihretwillen Unendliches leisten, Reisen tun, Kriege führen, Unendliches leiden, Unendliches ertragen, und er konnte sie dafür lieben, er sah das Leben, das Lebendige, das Unzerstörbare, das Brahman in jeder ihrer Leidenschaften, jeder ihrer Taten. Liebenswert und bewundernswert waren diese Menschen in ihrer blinden Treue, ihrer blinden Stärke und Zähigkeit. Nichts fehlte ihnen, nichts hatte der Wissende und Denker vor ihnen voraus als eine einzige Kleinigkeit, eine einzige winzig kleine Sache: das Bewußtsein, den bewußten Gedanken der Einheit alles Lebens. Und Siddhartha zweifelte sogar zu mancher Stunde, ob dies Wissen, dieser Gedanke so sehr hoch zu werten, ob nicht auch er vielleicht eine Kinderei der Denkmenschen, der Denk-Kindermenschen sein möchte. In allem andern waren die Weltmenschen dem Weisen ebenbürtig, waren ihm oft weit überlegen, wie ja auch Tiere in ihrem zähen, unbeirrten Tun des Notwendigen in manchen Augenblicken den Menschen überlegen scheinen können.

Langsam blühte, langsam reifte in Siddhartha die Erkenntnis, das Wissen darum, was eigentlich Weisheit sei, was seines langen Suchens Ziel sei. Es war nichts als eine Bereitschaft der Seele, eine Fähigkeit, eine geheime Kunst, jeden Augenblick, mitten im Leben, den Gedanken der Einheit denken, die Einheit fühlen und einatmen zu können. Langsam blühte dies in ihm auf, strahlte ihm aus Vasudevas altem Kindergesicht wider: Harmonie, Wissen um die ewige Vollkommenheit der Welt, Lächeln, Einheit.

Die Wunde aber brannte noch, sehnlich und bitter gedachte Siddhartha seines Sohnes, pflegte seine Liebe und Zärtlichkeit im Herzen, ließ den Schmerz an sich fressen, beging alle Torheiten der Liebe. Nicht von selbst erlosch diese Flamme.

Hermann Hesse

aus: Siddhartha II


Siddhartha lauschte. Er war nun ganz Lauscher, ganz ins Zuhören vertieft, ganz leer, ganz einsaugend, er fühlte, dass er nun das Lauschen zu Ende gelernt habe. Oft schon hatte er all dies gehört, diese vielen Stimmen im Fluß, heute klang es neu. Schon konnte er die vielen Stimmen nicht mehr unterscheiden, nicht frohe von weinenden, nicht kindliche von männlichen, sie gehörten alle zusammen, Klage der Sehnsucht und Lachen des Wissenden, Schrei des Zorns und Stöhnen der Sterbenden, alles war eins, alles war ineinander verwoben und verknüpft, tausendfach verschlungen. Und alles zusammen, alle Stimmen, alle Ziele, alles Sehnen, alle Leiden, alle Lust, alles Gute und Böse, alles zusammen war die Welt. Alles zusammen war der Fluß des Geschehens, war die Musik des Lebens. Und wenn Siddhartha aufmerksam diesem Fluß diesem tausendstimmigen Liede lauschte, wenn er nicht auf das Leid noch auf das Lachen hörte, wenn er seine Seele nicht an irgendeine Stimme band und mit seinem Ich in sie einging, sondern alle hörte, das GAnze, die Einheit vernahm, dann bestand das große Lied der tausend Stimmen aus einem einzigen Worte, das hieß Om: Die Vollendung.

Hermann Hesse
http://www.youtube.com/watch?v=9OoSxyXX_5k&feature=related
Foto: Daniel Cid

Wo..

Wo fragte die Trauer


finde ich den verlorenen

Schlüssel zum Licht?

Mitten im Schatten

antwortete die Hoffnung

weil er die Quelle

deiner Gefühle ist.


© Ute Leser

Mittwoch, 9. März 2011

Nähe des Geliebten


Ich denke dein, wenn mir der Sonne Schimmer
vom Meere strahlt;
Ich denke dein, wenn sich des Mondes Flimmer

In Quellen malt.
Ich sehe dich, wenn auf dem fernen Wege
Der Staub sich hebt;
In tiefer Nacht, wenn auf dem schmalen Stege
Der Wandrer bebt.

Ich höre dich, wenn dort mit dumpfem Rauschen
Die Welle steigt.
Im stillen Haine geh' ich oft zu lauschen,
Wenn alles schweigt.

Ich bin bei dir; du seist auch noch so ferne,
Du bist mir nah!
Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne.
O, wärst du da!

Johann Wolfgang von Goethe

Noch wenige Tage, dann sind wir zurück auf Zypern - unserer Sonneninsel...und Florian wird uns begleiten!
Florian liebte Griechenland.. und seine Pläne für den Sommer, den er nicht mehr erleben durfte, war eine Reise mit Eimear auf eine der griechischen Inseln....
....."Und ich werde die Welt mit deinen Augen sehen, mein Sohn"...

Dienstag, 8. März 2011

Von der Zeit

Mein Haus sagte zu mir:
"Verlaß mich nicht, denn hier wohnt deine Vergangenheit".
Und die Straße sagte zu mir:
"Komm und folge mir, denn ich bin deine Zukunft".
Und ich sage zu beiden, zu meinem Haus und zu der Straße:
"Ich habe weder Vergangenheit, noch habe ich Zukunft.
Wenn ich hier bleibe, ist ein Gehen in meinem Verweilen;
und wenn ich gehe, ist ein Verweilen in meinem Gang.
Nur Liebe und Tod ändern die Dinge."

Khalil Gibran

Montag, 7. März 2011

Die Liebe


Die Liebe ist nicht da, um uns glücklich zu machen.
Ich glaube, sie ist da, um uns zu zeigen, wie stark
wir im Leiden und Tragen sein können.

Hermann Hesse

Bild: Marc Chagall

Sonntag, 6. März 2011

Ihr sollt nicht...

Ihr sollt nicht eure Flügel falten,
damit ihr durch Türen kommt,
noch eure Köpfe beugen,
damit sie nicht gegen eine Decke stoßen,
noch Angst haben zu atmen,
damit die Mauern nicht bersten und einstürzen.

Ihr sollt nicht in Gräbern wohnen,
die von den Toten für die Lebenden gemacht sind.
Und obwohl von Pracht und Glanz,
sollte euer Haus weder euer Geheimnis hüten,
noch eure Sehnsucht beherbergen.

Denn was grenzenlos in euch ist,
wohnt im Palast des Himmels,
dessen Tor der Morgennebel ist und dessen
Fenster die Lieder und die Stille der Nacht sind.

Khalil Gibran

Freitag, 4. März 2011

Der Sinn


Wenn es einen Sinn in unserem Leben gibt,
dann kann er doch nur darin bestehen,
uns aus dem Dunkel ins Licht zu bewegen,
aus der Schwere in die Leichtigkeit,
und aus der
SEHNSUCHT
in die
ERFÜLLUNG.

Hans Kruppa

Bild: Eward R. Huges

Donnerstag, 3. März 2011

Hope is the thing with feathers

Hope is the thing with feathers -
That perches in the soul -
And sings the tune without the words -
And never stops - at all -

And sweetest in the gale is heard;
And sore must be the storm -
That could abash the little Bird
That kept so many warm -

I've heard it in the chillest land -
And on the strangest Sea -
Yet, never, in Extremity,
It asked a crumb - of me.

Emily Dickinson

Mittwoch, 2. März 2011

Klage

Ich ging durch die Menge
und stieß an unselige Dinge,
durch meine Finger rieselte Staub.

Ich kam in den Schatten des Waldes,
ein Vogel flatterte einsam,
und aus dem lautlosen Moos
blühte das rötliche Kraut.
Ich bleibe die fremde Gestalt
in meines Zimmers befremdlichem Raum,
ich bin eine Zwergin unter den Aufrechten.

Wer reicht ihn mir nieder,
des Himmels lieblichen Saum?

aus: Paula Ludwig.: Der himmlische Spiegel, 1927
Bild: Julio Romero de Torres

Dienstag, 1. März 2011

aus: Ein Jahresgedicht der Liebe

Immer horch ich
ob niemand mich ruft.


Wie ein Fenster
über das unablässig
der Regen herabrinnt
liegt mein Gesicht
unter meinen Tränen.

Paula Ludwig
Aus: Dem dunklen Gott
Ein Jahresgedicht der Liebe

Weinen wie ein Kind

Der Meister sagt:
Wenn du weinen musst, weine wie ein Kind.
Auch du warst einmal ein Kind, und weinen war
eines der ersten Dinge, die du in deinem Leben gelernt hast
Vergiss niemals, dass du frei bist,
und dass es nicht peinlich ist, seine Gefühle zu zeigen.
Schreie, schluchze heftig, sei laut, wenn dir danach ist -
denn so weinen die Kinder, und sie wissen,
wie sie ihr Herz schnell beruhigen.
Hast du schon einmal bemerkt,
wie Kinder aufhören zu weinen?
Irgend etwas bringt sie auf andere Gedanken,
irgend etwas lenkt ihre Aufmerksamkeit
auf ein neues Abenteuer.
Kinder hören schnell auf zu weinen.
So wird es auch bei dir sein - aber nur,
wenn du wie ein Kind weinst

Paulo Coelho