Sonntag, 30. Juli 2023

Lauer Regen, Sommerregen



Lauer Regen, Sommerregen
Rauscht von Büschen, rauscht von Bäumen.
O wie gut und voller Segen,
Einmal wieder satt zu träumen!
War so lang im Hellen draussen,
Ungewohnt ist mir dies Wogen:
In der eignen Seele hausen,
Nirgends fremdwärts hingezogen.
Nichts begehr ich, nichts verlang ich,
Summe leise Kindertöne,
Und verwundert heim gelang ich
In der Träume warme Schöne.
Herz, wie bist du wund gerissen
Und wie selig, blind zu wühlen,
Nichts zu denken, nichts zu wissen,
Nur zu fühlen! Nur zu fühlen!

 Hermann Hesse

Donnerstag, 27. Juli 2023

Thank you Sinéad O'Connor


R.I.P. 💔

Der Tod der irischen Sängerin Sinéad O'Connor trifft mich tief. Ihre Musik, Ihre wundervolle Stimme, ihre tiefgründigen Texte - nicht wegzudenken aus den ersten Jahren der großen Trauer um Florian.  Besonders dieses Lied "Thank you" und natürlich "Nothing compares to you"... Ich sog die songs in mich auf. Ich wußte um das schwere Leben, dass diese Sängerin lebte und die Schicksalsschläge.  Sie war eine Freundin im Leid.
Letztes Jahr starb Ihr 17jährigen Sohn durch Suizid. 
 
Die Welt trauert ❤ um diese außergewöhnliche Künstler, das Netz trauert ❤. 
Ich lese zahllose Beileidsbkundungen und Nachrufe. Einer hat mich besonders berührt und ich möchte ihn mit Euch teilen:
 
Her face.
I learned every song by heart.
She was fierceness and honestly incarnate.
She howled her heart out so purely that people had no idea what to make of it.
This is a woman who ripped up a picture of the pope on Saturday Night Live (when it had no ”safety delay”) to draw attention to the sex abuse happening in the Catholic Church, after delivering “War” by Bob Marley, a cappella:
Until the philosophy which hold one race
Superior and another Inferior
Is finally
And permanently
Discredited
And abandoned
Everywhere is war.
Twelve days later she took the stage at Madison Square Garden for a Bob Dylan tribute festival and you could barely hear her sing over the boos and jeers from the crowd. She scrapped her planned Dylan song and screamed out “War” again, as the crowd tried to overpower her.
That feeling. Many women have been there. I have been there too, shaking, as it feels like the whole world is trying to shout and drown you out, and put you in your place. Wondering if I am the crazy one. Wondering if this many people are right. Or wrong. Or even real.
She was right about the church. She was very fucking right.
She was right about so many things.
Now that she is dead, I know she’ll be lauded and applauded.
But back then? That night? How do you imagine she felt that night, crawling into bed, having been abused by a crowd of thousands? How would you feel? What would that do to you? Would you care if the world turned around, forty years later, and said: “Sorry about that, you were actually very brave?”
This is a woman who boycotted the Grammys saying she did not want “to be part of a world that measures artistic ability by material success.” This is a woman who refused to play US national anthem before certain concerts. That went down reallll well, too.
She was hated, she was scorned, she was cancelled for being honest over and over again. That SNL move was the beginning of the end of a career in many ways. She never recovered.
Too much, they said. Go away.
She used her voice. She kept on speaking.
She was loud. Being a loud woman is not fucking convenient, for anyone. Ever. Not around here.
She was strikingly beautiful. She shaved her head and gave the middle finger to the beauty standard. She wore combat boots and jeans. She opened her mouth to the max, literally. She did not mumble; she roared. She inspired me into taking power; she inspired so many of my friends. She showed us all another way. There’s this way, too. Go this way, she seemed to be screaming, GO.
Dismissed as crazy. She struggled, and she struggled, and she struggled. She was punished, she was mocked, she was ridiculed.
She retreated and came back time and time again, her roar ragged, her frustration jagged and visible. Painful. You could see it, feel it. We mourned it, me and my friends.
Sinéad? Misunderstood? Which chicken, which egg?
What the world did to Sinéad was death by a thousand cuts. The world lauded her, worshipped her, bought her, sold her, forgave her, claimed her, disavowed her. Over and over in cycles. How could anyone survive that? Like a piece of metal getting bent over and over and over again. It breaks.
She began as a fragile person. A fragile artist. Which is why her songs were so beautiful and powerful to begin with. A raw heart. A mother. Not an idea, not a theoretical. A person.
The world loved the taste of her. The world didn’t know how to digest her. The world spit her out.
She never apologized for ripping up that picture of the pope. When asked later, she said “I’m not sorry I did it. It was brilliant”.
It was.
She was.
Never forget this woman.
Let her memory guide us.
Let them scream at you, but do not stop singing.
Never apologize just to make them happy, to make them go away, to “get along”, to make them accept you.
No, no, no.
Me say War.
Sinéad….rest in world-changing ripped paper phoenix-pieces from the stage, rising and burning into the white night stars. Find peace at last. I hope you forgive us what we could not give you.
 
Amanada Palmer 
 
💓💓💓💓 



R.I.P. Sinéad O'Connor


 REST IN PEACE SINEAD 💔


Mittwoch, 26. Juli 2023

Regen



Da draußen regnet es weit und breit.
Es regnet graugraue Verlassenheit.
Es plaudern tausend flüsternde Zungen.
Es regnet tausend Erinnerungen.
Der Regen Geschichten ums Fenster rauscht.
Die Seele gern dem Regen lauscht.

Der Regen hält dich im Haus gefangen.
Die Seele ist hinter ihm hergegangen.
Die Insichgekehrte ist still erwacht,
Im Regen sie weiteste Wege macht.
Du sitzt mit stummem Gesicht am Fenster,
Empfängst den Besuch der Regengespenster.
 
 Max Dauthendey

 



Dienstag, 25. Juli 2023

Ich ließ meinen Engel lange nicht los

 

Ich ließ meinen Engel lange nicht los,

und er verarmte mir in den Armen
und wurde klein, und ich wurde groß:
und auf einmal war ich das Erbarmen,
und er eine zitternde Bitte bloß.

Da hab ich ihm seine Himmel gegeben, –
und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;
er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,
und wir haben langsam einander erkannt…

Seit mich mein Engel nicht mehr bewacht,
kann er frei seine Flügel entfalten
und die Stille der Sterne durchspalten, –
denn er muss meiner einsamen Nacht
nicht mehr die ängstlichen Hände halten –
seit mich mein Engel nicht mehr bewacht.
 
Rainer Maria Rilke 


Samstag, 22. Juli 2023

Ich will ein Garten sein



Ich will ein Garten sein, an dessen Brunnen
die vielen Träume neue Blumen brächen,
die einen abgesondert und versonnen,
und die geeint in schweigsamen Gesprächen.
Und wo sie schreiten, über ihren Häupten
will ich mit Worten wie mit Wipfeln rauschen,
und wo sie ruhen, will ich den Betäubten
mit meinem Schweigen in den Schlummer lauschen...
 
Rainer Maria Rilke

 

Für Uwe

 
 
RIP lieber Uwe💓
Unvergessen 
 
Dass dein Tod für alle anderen eine bedauerliche Tatsache, für mich aber ein lebendiger Prozess,immer noch Anziehung, Abstoßung, Nähe und Ferne war, wollte niemand verstehen.
Allenfalls glaubte man, dass ich nachts in deinem Zimmer ein paar Tränen vergösse, aber die flossen nicht, weil da so viel mehr war als Wehmut ...
... der leidenschaftliche und angstvolle Wunsch, dich dort, wo du bist, glücklich zu wissen ...(
 
Marie Luise Kaschnitz

Aber so lange ich atme



 
Auch was
auf der Hand liegt
muss ich
aus der Hand zu geben
bereit sein
und muss wissen
wenn ich liebe
dass es wirklich
die Liebe zu dir ist
und nicht nur
die Liebe zur Liebe zu dir
und dass ich nicht
eigentlich
etwas Uneigentliches will
 
Aber
solange ich atme
will ich
wenn ich den Atem
anhalten
deinen Atem
noch spüren
in mir
 
Erich Fried 
Bild: Emil Nolde 

Nachts


Ich habe meine Kerze ausgelöscht;
Zum offenen Fenster strömt die Nacht herein,
Umarmt mich sanft und läßt mich ihren Freund
Und ihren Bruder sein.
-
Wir beide sind am selben Heimweh krank;
Wir senden ahnungsvolle Träume aus
Und reden flüsternd von der alten Zeit
In unsres Vaters Haus.


Hermann Hesse - Die Gedichte - 1907

Bild: Nächtliche Stimmung um 1934 
von Hermann Hesse
 

Donnerstag, 6. Juli 2023

Montag, 3. Juli 2023

And once the storm is over

 


“And once the storm is over, you won’t remember how you made it through, how you managed to survive. You won’t even be sure, whether the storm is really over. But one thing is certain. When you come out of the storm, you won’t be the same person who walked in. That’s what this storm’s all about.”

― Haruki Murakami

 


 

Sonntag, 2. Juli 2023

Weil ich so viel an dich denke.....

 

 

 

Ich denk’ an Dich ...
 
Ich denk’ an dich, und meine Seele ruht
In dem Gedanken aus an dich,
Dem Schiffer gleich, der aus bewegter Flut
Zum stillen Hafen rettet sich.
Als wie am Tag ein wilder Vogel fliegt,
Waldaus, Waldein, nach seiner Lust,
Doch bei der Nacht ins weiche Nest sich schmiegt,
So schmieg’ ich mich an deine Brust.
Ich ruh’ in dir, in deiner Liebe ruht
Der Drang der Seele wild und scheu;
Unsicher ist des Lebensmeeres Flut,
Und du allein bist ewig treu.

Friedrich Rückert (1788-1866)
 
 
Weil ich so viel an dich denke.....
 

 💞💞💞💞💞



Samstag, 1. Juli 2023

Meine Gedanken im Jahr 24 nach Florians plötzlichem Tod

 

Smile, though your heart is aching…

 

„Wie lange dauert das Morgen?“ – „Die Ewigkeit und ein Tag“

In der Frage und ihrer Antwort scheint die Zeit aufgehoben, verloren und unmöglich zu sein. Die Zeit ist flüchtig…

„Ich glaube, die Vergangenheit ist nichts Vergangenes. Die Vergangenheit ist gegenwärtig in dem Sinne, dass das, was wir in diesem Augenblick sind, sich aus Dingen unserer Vergangenheit gebildet hat. Es ist nicht möglich, dass die Gegenwart nicht durch die Vergangenheit bestimmt wird – sie existiert und ist äußerst präsent. In diesem Sinne sind wir von der Vergangenheit nicht frei und können) nicht behaupten, wir würden etwas Neues erleben. Wir erleben etwas Neues lediglich durch das durch die Vergangenheit Bestimmte. Wäre die Gegenwart vollkommen neu, vollkommen unbefleckt, wenn sie auf diese Weise existierte, dann wäre jedes Ding eine Entdeckung für sich.“

Theo Angelopoulos

 

Diesen Text möchte ich meinen Gedanken im 24. Jahr der Trauer um Florian voranstellen.

Vergangenheit und Gegenwart.  Schwer konnte ich oft erklären, wie präsent ich mit Florian im Hier und Jetzt lebe. Diese wunderbaren Gedanken von Angelopoulos haben mir eine Antwort gegeben.

 

 

Die Zeit danach

 Am 1. Juli 2000 starb Florian mit 23 Jahren. Niemand war schuld. Er starb einen sanften, schicksalhaften Tod.

Am 1. Juli 2023 beginnt – gefühlt - eine neue Zeit in meinem Leben. Florian wird nach diesem Tag länger unter den Toten weilen, als wir ihn hier unter uns haben durften.

Wie nähert man sich diesem Tag? Ich suche nach Antworten. Bleibt letztlich nicht alles so, wie es jetzt ist? Warum fühlt es sich an, als stürbe Florian erneut, endgültig…

Gegen die Idee, dass wir unsere Toten irgendwann loslassen müssen, habe ich mich immer gewehrt und denke noch heute, dass das Gegenteil richtig ist:  Ist unsere Trauer nicht die Wunde, aus der wir leben?

Wäre diese Wunde nicht, müssten wir dieses veränderte, unvollkommene Leben als ein ganz „normales Leben“ leben, oder sagen wir mit einer Amnesie leben, die dieses andere Leben, in denen wir Mütter/Väter lebendiger Kinder waren, in unserer Erinnerung ausgelöscht hat. Aber wir leiden nicht an Amnesie und ich weiß heute, dass die Trauer die Fortsetzung der Liebe ist und nie aufhört.Sie begleitet uns bis zum letzten Atemzug und wir schulden niemandem Rechtfertigung.

Viele lange Jahre habe mich gegen das Unumkehrbare, verwaiste Mutter zu sein, gestemmt, gewehrt und dies hat Kraft gekostet, viel Kraft. 

„Heute akzeptiere ich die Zufälle, Fügungen, die Reue und die Schwächen, das Brechen und sogar das Biegen…“ (schreibt Antoine Leiris in seinem Buch „Danach das Leben“*), das ich gerade las. Er nennt den Verlust seiner Frau „die Zeit danach“, vermeidet das Wort „tot und gestorben“.  „Die Liebe danach ist eine Geisterliebe. Man muss akzeptieren, dass diese Liebe zu unserem Geist gehört, aber das eine andere, andersartige, entstehen darf“.

Dies ist ein schöner Gedanke:  Ich liebe „den Geist“, der Florian heute ist. „I carry you with me – my little ghost inside“.  Dieses Gedicht/Gebet habe ich jahrelang täglich gesprochen, ein Ritual.  Noch heute spreche ich es, wenn ich an Florians Grab stehe oder an dem Ort auf der Treppe sitze, an dem er sein irdisches Leben verließ.

 


💔💔💔
 
Wir haben uns vom Grosvenor Square im Mai diesen Jahres verabschiedet.
Florian ist längst nicht mehr an Orte gebunden - 
ein freier Geist, der uns begleitet 
 


Beim Durchtauchen meiner Erinnerungen sammle ich Gefühle wie Blumen und Gräser… Hier ein Lächeln, da ein schmerzerfülltes Weinen, dort ein wohliger Schauer, ein Seufzer, immer wieder Tränen.
Wenn ich hier fertig bin, habe ich einen riesigen Strauß beisammen. Den werde ich in eine Vase stellen – ans Fenster ins Licht, damit er leuchten kann. Siehst du ihn, Florian?

 


Ich bin stark und mutig, ich bin herzlich und positiv… Ja, ich bin lebensfroh. Aber bei all‘ der Stärke und Leichtigkeit, die in mein Leben kommen durfte: Ich darf ein Stück untröstlich bleiben!

Gabi im Jahr 2023