Mittwoch, 29. Februar 2012

Spruch

So musst du allen Dingen
Bruder und Schwester sein,
dass sie dich ganz durchdringen,
dass Du nicht scheidest Mein und Dein.

Kein Stern, kein Laub soll fallen –
du musst mit ihm vergehn!
So wirst du auch in allem
allstündlich auferstehn.

Hermann Hesse

Dienstag, 28. Februar 2012

Sonnet XXX Shakespeare


Sonnet XXX

When to the sessions of sweet silent thought
I summon up remembrance of things past,
I sigh the lack of many a thing I sought,
And with old woes new wail my dear time's waste:
Then can I drown an eye, unused to flow
For precious friends hid in death's dateless night,
And weep afresh love's long since cancell'd woe,
And moan the expense of many a vanish'd sight:
Then can I grieve at grievances foregone,
And heavily from woe to woe teIl o'er
The sad account of fore-bemoaned moan,
Which I new pay as if not paid before.
But if the while I think in thee, dear friend,
All losses are restored and sorrows end.

William Shakespeare

XXX. Sonett

Wenn ich in schweigender Gedanken Rat
Erinnrung des Vergangnen traulich lade,
Beseufzend was entflohn mir nie mehr naht,
Neu klagend alte Weh'n versunkner Lebenspfade:
Dann netz' ich wohl versiechte Augenlider
Um teure Freund' in Todesnacht gehüllt;
Es weinen, längst erstickt, der Liebe Schmerzen wieder,
Der Gram um manch dahingeschwunden Bild.
Dann kann ich leiden um vergangnes Leid,
Die trübe Summe vorbeklagter Klagen
Von Weh zu Weh ziehn mit Betrübsamkeit,
Sie zahlend wie noch niemals abgetragen.
Doch, teurer Freund! gedenk' ich dein dabei,
Ersetzt ist alles, und ich atme frei.

Bild: A. Aranyshev

Montag, 27. Februar 2012

Wer

Wer wird sich meiner erinnern
wenn ich gehe

Nicht die Spatzen
die ich füttere
nicht die Pappeln
vor meinem Fenster
der Nordpark nicht
mein grüner Nachbar

Meine Freunde werden
ein Stündchen traurig sein
und mich vergessen

ich werde ruhen
im Leib der Erde
sie wird mich verwandeln
und vergessen

Rose Ausländer

Sonntag, 26. Februar 2012

Ich gehe ihm aus dem Weg


Ich gehe ihm aus dem Weg
laufe ihm in den Weg
der lebenslang um mich wirbt
mit schwarzer Magie

Ich verwandle ihn
in ein Wort
drei Buchstaben
der Wohlklang tut weh

Rose Ausländer

Gesammelte Gedichte, 1978

Foto: Irland 2009

Ich bin nur eine kleine Welle auf dem Ozean.
Die Welle kommt und geht.
Der Ozean bleibt, ist immer da.

NN

Bild: Irland 2009

Samstag, 25. Februar 2012

Ein Traum ist unser Leben


Ein Traum, ein Traum ist unser Leben
Auf Erden hier.
Wie Schatten auf den Wolken schweben
Und schwinden wir.
Und messen unsre trägen Tritte
Nach Raum und Zeit;
Und sind (und wissen's nicht) in Mitte
Der Ewigkeit...

Johann Gottfried Herder

Bild: Sofia Huidobro

Freitag, 24. Februar 2012

Inschrift

Inschrift auf einem nicht abgeholten Grabstein
(ca. 1927)

Wandrer, wenn du vorbeikommst
Wisse:
Ich war glücklich
Meine Unternehmungen waren fruchtbar
Meine Freunde treu
Meine Gedanken angenehm
Was ich tat, war besonnen
Am Ende habe ich nicht widerrufen
Wegen einer Kleinigkeit
Habe ich nie mein Urteil geändert.

Da ich noch nicht tot bin
Wage ich nichts zu sagen als:

Mein Leben war schwer, aber
Ich klage nicht
Auch habe ich etwas aufzuweisen
Was mein Leben rentiert hat
Sorge dich nicht um mich, ich selber
Verachte die Unglücklichen
Aber schon, als ich schrieb
Was du hier liest
Gab es nichts mehr, was mich noch treffen konnte.

Bertold Brecht

Donnerstag, 23. Februar 2012

Noch bist du da

Noch bist du da
Wirf deine Angst
in die Luft

Bald
ist deine Zeit um
bald
wächst der Himmel
unter dem Gras
fallen deine Träume
ins Nirgends

Noch
duftet die Nelke
singt die Drossel
noch darfst du lieben
Worte verschenken
noch bist du da

Sei was du bist
Gib was du hast

Rose Ausländer

Bild: Huy Duynh

Mittwoch, 22. Februar 2012

Lebensnetz...

Wie oft hast du dein Lebensnetz
hoffnungsvoll ausgeworfen
eine helfende Hand
ein liebendes Wort
eine zärtliche Geste
ein geduldiges Ohr
zu erhalten
Wie oft hast Du dein Lebensnetz
leer wieder eingeholt -
nicht müde werden
sondern das Netz ausbessern
und wieder auswerfen
es liegt an den nicht heilenden Verwundungen
dass manches
das dir geschenkt wird
dir entgeht
bevor du es erkennen kannst

Margot Bickel

Dienstag, 21. Februar 2012

Das Leben ist ewig..


Das Leben ist ewig,
und die Liebe unsterblich,
und der Tod nur ein Horizont –
und ein Horizont nichts
als die Grenze unseres Blicks.


Marie v. Ebner-Eschenbach

Montag, 20. Februar 2012

jedes mal


jedes mal
wenn ich jetzt an dich denke
entsteht in meinem Kopf
ein freier Raum
eine Art Vorraum zu dir
in dem sonst nichts ist
ich stelle fest
am Ende jedes Tages
daß viel mehr freier Raum
in meinem Kopf
übrig gewesen sein muß
als ich sonst glaubte

erich fried

Sonntag, 19. Februar 2012

Jeder Tag...


Jeder Tag ist der Anfang des Lebens.
Jedes Leben der Anfang der Ewigkeit


Rainer Maria Rilke

Samstag, 18. Februar 2012

Ich weiß nur


Du fragst mich
was ich will
Ich weiß es nicht
Ich weiß nur
dass ich träume
dass der Traum mich lebt
und ich in seiner
Wolke schwebe
Ich weiß nur dass ich
Menschen liebe
Berge Gärten das Meer
weiß nur dass viele Tote
in mir wohnen
Ich trinke meine
Augenblicke
weiß nur
es ist das Zeitspiel
Aufundab

Rose Ausländer

Foto: Connemara 1998

Freitag, 17. Februar 2012

Für Stephan


I believe that if I should die,
and you were to walk near my grave,
from the very depths of the earth
I would hear your footsteps.

Benito Perez Galdos

Die Kerze heute brennt zum Geburts-Tag Deines Sohn Stephan, liebe Erika und meine Gedanken sind bei Dir.

Donnerstag, 16. Februar 2012

Eines Tages..


Eines Tages werde ich
aus den Gedankensträngen
meines Lebens,
auch den wirrsten,
und dem vielfarbigen Geflecht
meines Herzens
einen Teppich knüpfen
mit dem roten Faden
meiner Dankbarkeit
für so vieles -
und nicht zuletzt für Dich.

Isabella Schneider

Bild: Alexi Zaitsev

Mittwoch, 15. Februar 2012

Für Peter



Aber dass du sein Leben verlierst, und alle Tage
der Zukunft verwelken dir mit seiner Jugend -
wer hätte je dich dazu gehärtet, wer dir die Höhle
dafür gewiesen, wer dir die Rüstung bestellt, wer
den Sitz angezeigt im Gebirge, ausgesetzt der
Übung im Eis? Wir sinken den Kinder doch
nach, wenn sie vorangehn. Am Grab der Eltern
zu stehen ist einsam genug, und mit Wärme
und Frost des Bodens wechseln in Wellen
Trauer und Trost. Aber dein Kind zu beklagen
verkehrt Himmel und Erde, stülpt innen nach
außen, verwirft das bewunderte Weltall,
zerbricht die Ordnung der Sterne, und jede
zynische Deutung umarmt dich im Trostkleid.
Wie soll die Schöpfung zu achten sein, die so
sorglos verfährt mit sich selbst?

Gert Heidenreich

....und für Euch, liebe Irene, die Ihr Peter heute, an seinem Geburts-Tag schmerzlich vermißt!

Bild: Alexi Zaitsev

When rainy nights are soft with tears...

http://www.youtube.com/watch?v=1vN8vwpWIAY

When rainy nights are soft with tears,
And Autumn leaves are falling,

See you over hill and dale

I hear his voice on tumbling waves
And no one there to hold me.

Riding on the wind I see

At evening's fall he watched me walk.
His heart was mine.
But my love was young, and felt
The world was not cruel, but kind.

You know me, you know me like the nightingale

Where Lagan's light fell on the hour,
I saw him far below me--
Just as the morning calmed the storm--
With no one there to hold him.

Oh fair maiden, I see you standing there
Will you hold me for just a fair time
The tune is playing in the fair night

My loves have come, my loves have gone,
And nothing's left to warn me,
Save for a voice on the travelling wind,
And the glimpse of a face at morning.

I see you in my dreams
Fair boy your eyes haunt me...

Ein wunderschönes Lied..

Dienstag, 14. Februar 2012

Kiss


"Time is too slow for those who wait,
too swift for those who fear,
too long for those who grieve,
too short for those who rejoice,
but for those who love,
time is eternity"

~ Henry Van Dyke

HAPPY VALENTINE'S DAY 2012

Valentine's Day


Happy Valentine's Day, beloved Florian ....


Wie ich dich liebe? Laß mich zählen wie.
Ich liebe dich so tief, so hoch, so weit,
als meine Seele blindlings reicht, wenn sie
ihr Dasein abfühlt und die Ewigkeit.


Ich liebe dich bis zu dem stillsten Stand,
den jeder Tag erreicht im Lampenschein
oder in Sonne. Frei, im Recht, und rein
wie jene, die vom Ruhm sich abgewandt.


Mit aller Leidenschaft der Leidenszeit
und mit der Kindheit Kraft, die fort war, seit
ich meine Heiligen nicht mehr geliebt.


Mit allem Lächeln, aller Tränennot
und allem Atem. Und wenn Gott es giebt,
will ich dich besser lieben nach dem Tod.

Elisabeht Barrett-Browning

Montag, 13. Februar 2012

Warum nur ..

Warum nur

halte ich mein Herz so hoch
so weit aus allem heraus
mir selbst eine Ferne
wie ein fliegender Drachen.
Die Schnur loslassen-
und der Himmel hätte mich.

Falls dieses Herz dort
das zittert im Wind
und sicher friert in dieser Höhe
und Ferne
falls dieses Herz ich bin
und nicht nur ein fliegender Drachen
sich ausgibt
mein Herz zu sein.

Gefangene Engel weit und breit.
Und verhangene Fenster.
Gut, sagte einer von ihnen,
wir werden's überstehen
und das Fliegen nicht verlernen.
Weiss Gott.

Erika Pluhar

Danke, liebe Kathrin!
Bild: Edward Hopper

Sonntag, 12. Februar 2012

My love is your love


If tomorrow is judgement day
And I'm standin' on the front line
And the Lord ask me what I did with my life
I will say I spent it with you

If I wake up in World War 3
I see destruction and poverty
And I feel like I want to go home
It's okay if your comin' with me

Cause your love is my love
and my love is your love
It would take an eternity to break us
And the chains of Amistad couldn't hold us

Cause your love is my love
and my love is your love
It would take an eternity to break us
And the chains of Amistad couldn't hold us

If I lose my fame and fortune
And I'm homeless on the street
And I'm sleepin' in Grand Central Station
It's okay if you're sleepin' with me

As the years they pass us by
we stay young through each other's eyes
And no matter how old we get
It's okay as long as I got you babe

Cause your love is my love
and my love is your love
It would take an eternity to break us
And the chains of Amistad couldn't hold us

Cause your love is my love
and my love is your love
It would take an eternity to break us
And the chains of Amistad couldn't hold us


If I should die this very day
Don't cry, cause on earth we wasn't meant to stay
And no matter what the people say
I'll be waiting for you after judgement day

Cause your love is my love
and my love is your love
It would take an eternity to break us
And the chains of Amistad couldn't hold us

To the death of a great singer. RIP

Dies Lied widmete Eimear Florian zu seinem Requiem am 7.Juli 2000.
Es wird immer an ihn und diesen Tag des endgültigen Abschieds erinnern.

Samstag, 11. Februar 2012


Darin nämlich täuschen wir uns,
dass wir den Tod vor uns sehen:
ein großer Teil des Todes ist schon vorbei.
Alles, was von unserem Leben hinter uns liegt,
gehört ihm.
Seneca

Bild: Ben Gossens

Freitag, 10. Februar 2012

Kleiner Stern



Wo bist du gewesen, kleiner Stern?
Von meinem Fenster aus
habe ich überall
nach dir Ausschau gehalten
inmitten der dunklen Wolken.
Wo bist du gewesen?
Ich fühle mich so verlassen
wie ein kleiner Vogel
verloren auf einer nebligen Insel.

Nächtelang hat es geregnet.
Die Stadt ist so kalt und verlassen.
Später in der Nacht sehe ich
auf dem Gehsteig
die Silhouetten einsamer, nasser Gestalten.

Ich bette mein Haupt auf einen Stapel alter Bücher,
so wie die alten Dichter.
Ich habe versucht, dein Bild
tief aus meinem Bewusstsein hervorzuholen,
während Wind und Regen draußen weiter wüten.

Heute abend, wenn ich mich
über meinen Schreitisch beuge,
den Kopf auf die Hände gestützt,
kann ich mir nicht vorstellen, dass der Wind
alle Wolken davongeweht hat.
Der Himmel ist klar.
Der Regen hält inne und wartet auf deinen Ruf.
Ich bin überrascht, durch das Fenster zu sehen,
dass du wieder da bist.
Du bist zurückgekehrt.

Lieber kleiner Stern,
du musstest durch solche Stürme, durch Regen und Wind.
Wohin bist du gegangen?
Wie lange und in welch seltsamem Land hast du geweint?
Du bist zurückgekehrt.
Deine Augen sind noch immer voller Erstaunen,
wenn du mich jetzt am Fenster betrachtest.
Wo warst du in diesen stürmischen Tagen?
Dein kleiner Körper geschüttelt von unzähligen Winden,
zittert noch vor Kälte.

Friedlich ruhst du auf dem Boden der Kristallschale,
und mit Tränen in den Augen erinnerst du dich:
„Heute hat das himmlische Königreich
ein großes Fest gegeben für Tausende von Sternen.
Der Himmel ist klar.
Alle Wolken sind fortgeweht.
Ich stieg hinauf zum Königreich,
kniete nieder und betete für unser Heimatland –
für das Ende von Haß und Töten,
Flurkatastrophen, Feuer und Grausamkeit
in unserem armen Land.“

Deine Stimme hat Millionen Sterne erreicht,
und alle haben sich in wundervolle Tränen verwandelt,
die ein der Luft erzittern.
Tiefen Dank sage ich den Zehntausend kleiner Sterne,
deren Treue so fest ist wie ein Diamant.
Wie Blumen erblüht ihr,
und strahlend leuchtet ihr im weiten Reich des Bewusstseins.
Mein kleiner Stern,
du bist nach Hause zurückgekehrt.
Mit Tränen in den Augen rufe ich deinen Namen
Und bin glücklich.


(Thich Nhat Hanh – „Nenne mich bei meinem wahren Namen“)

Donnerstag, 9. Februar 2012

Jedes Alter

hat sein Kleid
hat seine Melodie
seinen hellen
seinen dunklen Ton
seine Dissonanzen
seine Harmonie
sein eigen Lied
Jedes Alter
hat sein Kleid
hat seine Farbe
seinen Klang
Takte Töne
die dich weitertreiben
von Lied zu Lied
zum Schlussakkord


Annemarie Schnitt

Mittwoch, 8. Februar 2012

Heut hab ich dich im Traum gesehn


Heut hab ich dich
im Traum gesehen.
Du tratest durch
Die Tür, die altvertraute,
und warst so still und jünger als vordem.
Ein Lächeln kam
von dir zu mir,
doch leise wehrend
hieltest du die Hand.
Und als ich sehnend
dir entgegen wollte,
wichst du zurück,
das Lächeln, das verschwand
und Dunkelheit umhüllte
das Bild
das Traumbild
das verblich.
Ein weher Schmerz
blieb mir zurück
und stieß mich
in den grellen Tag.

Rainer Maria Rilke

Dienstag, 7. Februar 2012

Eingang



Wer du auch seist: Am Abend tritt hinaus
aus deiner Stube, drin du alles weißt;
als letztes vor der Ferne liegt dein Haus:
Wer du auch seist.
Mit deinen Augen, welche müde kaum
von der verbrauchten Schwelle sich befrein,
hebst du ganz langsam einen schwarzen Baum
und stellst ihn vor den Himmel: schlank, allein.
Und hast die Welt gemacht. Und sie ist groß
und wie ein Wort, das noch im Schweigen reift.
Und wie dein Wille ihren Sinn begreift,
lassen sie deine Augen zärtlich los . . .

Rainer Maria Rilke

Foto: "Camphill" 1999

Montag, 6. Februar 2012

Fragt sich


Fragt sich
wohin der Weg führt
quer durch die Welt
welche Antwort wird stehen
am Rande des Tages
am Rande der Zeit.
wo fasst du Fuß
im Gestrüpp der Fragen
findest Gefährten
auf Fußwegen voran
wo ortest du den Silberstreif
dass er einen Bogen schlage
am Morgen zu dir

Annemarie Schnitt

Danke, liebe Andrea, für Dein schönes Winter-Weg-Foto aus Holland

Sonntag, 5. Februar 2012

Im Zimmer

Das Zimmer behütet mich
da ich es hüten muss

Kommt stückweis die Welt
an mein Fenster
Pappeln Sperlinge Wolken
Briefe von alten und fremden Freunden
besuchen mich täglich

Die Zeit
ein Gespräch
Wirklichkeit
sagst du
ich sage
Traum.


Rose Ausländer

Samstag, 4. Februar 2012

Tsunami - Das Leben danach (Programmhinweis)

Tsunami - Das Leben danach
ZDF 5.2.2012 20.15 Uhr

Der Film erzählt die wahre Geschichte von Billi Cramer und Michael Schäffer, die bei dem verheerenden Tsunami im Dezember 2004 in Thailand ihre Familien verloren. Veronica Ferres und Hans Werner Meyer spielen die Hauptrollen in dem Fernsehfilm "Tsunami - Das Leben danach".

Billi Cramer hatte zusammen mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen den Weihnachtsurlaub in Thailand verbracht und den Tsunami nur durch Zufall im Hotelzimmer überlebt, während ihre Angehörigen zunächst vermisst und einige Tage später tot geborgen wurden. Zurück in Deutschland hatte Billi Cramer zunächst keinen Lebensmut mehr - ein Psychiater empfahl ihr den Kontakt mit einem Mann, der ebenso wie sie seine Familie bei der Tsunami-Katastrophe verloren hatte. Diese Verbindung wurde für Billi Cramer und Michael Schäffer zum rettenden Anker, aus ihrer (Über-)Lebensgemeinschaft wurde schließlich Liebe. Ihre gemeinsame Tochter ist heute zwei Jahre alt.

Der Schauende

Ich sehe den Bäumen die Stürme an,
die aus laugewordenen Tagen
an meine ängstlichen Fenster schlagen,
und höre die Fernen Dinge sagen,
die ich nicht ohne Freund ertragen,
nicht ohne Schwester lieben kann.

Da geht der Sturm, ein Umgestalter,
geht durch den Wald und durch die Zeit,
und alles ist wie ohne Alter:
die Landschaft, wie ein Vers im Psalter,
ist Ernst und Wucht und Ewigkeit.

Wie ist das klein, womit wir ringen,
was mit uns ringt, wie ist das groß;
ließen wir, ähnlicher den Dingen,
uns so vom großen Sturm bezwingen, -
wir würden weit und namenlos.

Was wir besiegen, ist das Kleine,
und der Erfolg selbst macht uns klein.
Das Ewige und Ungemeine
will nicht von uns gebogen sein.
Das ist der Engel, der den Ringern
des Alten Testaments erschien:
wenn seiner Widersacher Sehnen
im Kampfe sich metallen dehnen,
fühlt er sie unter seinen Fingern
wie Saiten tiefer Melodien.

Wen dieser Engel überwand,
welcher so oft auf Kampf verzichtet,
der geht gerecht und aufgerichtet
und groß aus jener harten Hand,
die sich, wie formend, an ihn schmiegte.
Die Siege laden ihn nicht ein.
Sein Wachstum ist: der Tiefbesiegte
von immer Größerem zu sein.


Rainer Maria Rilke

Bild: Alexi Zaitsev

Fire + Rain


Manchmal fallen kleine, schöne Lieder in mein Leben - wie dieses ....

Freitag, 3. Februar 2012

Alle meine Schiffe

Alle meine Schiffe
haben die Häfen vergessen
und meine Füße den Weg.
Es wird nicht gesät und nicht geerntet
denn es ist keine Vergangenheit
und keine Zukunft,
kaum eine Bühne im Tag.
Nur der kleine
zärtliche Abstand
zwischen dir und mir,
den du nicht verminderst.

Hilde Domin

Donnerstag, 2. Februar 2012

Für Olivia + Gunnar


Gunnar 1973 - 2010


Wenn es gelingt
de Trauer
zu tauchen
ins Lächeln

wenn es gelingt
die Trauer
zu locken
ins Licht

wenn es gelingt
die Trauer
zu verwandeln
in Leben

was
wenn es gelingt

Annemarie Schnitt

Für Dich, liebe Olivia, im Gedenken an Gunnar.
In großer Verbundenheit
Gabi

Mittwoch, 1. Februar 2012

Lass ihn ein, den neuen Tag

     

                            
Lass ihn ein, den neuen Tag,
den mühsalschweren
mit seinem grauen Gewand.
Bote ist er, Anruf,
heute das Leben zu wagen.
Nicht der Tag
macht dich arm,
der dir Last aufbürdet,
dem Schmerz dich ausliefert.
Arm bist du nur,
wo du dich weigerst
zu lieben,
wo du dich wehrst,
das Unvollkommene
zu umarmen,
den Kreuzweg mitzugehen.
Fürchte nichts!
Unerschöpflich
sind die Quellen dessen,
der sich dir zusagt
für jeden neuen Tag.


Sabine Naegeli


Fotos: Türen auf Zypern