Donnerstag, 18. Juni 2009

Buch des Abschieds 14

Dienstag, 19. Juni 2001


Liebster Sohn,

heute war ich wieder bei Dir – ich spürte, daß ich genügend Stärke hatte und es war gut, bei Dir zu sein. Ich saß auf der Bank, die Sonne spielte in den Blättern der großen Eiche über Deinem Grab und hin und wieder fielen ihre Strahlen auf die Pflanzen, die so schön blühen.
Nur eine Schnecke tummelt sich dort und frißt uns die kleinen Rosen ab....
Es war gut, Dich zu besuchen, aber es ist schwerer im Moment bei Dir zu sein, es ist unwirklicher, ich lasse die Realität nicht recht an mich heran oder besser in mich hinein.
Ich spreche kaum mit Dir, ich ordne und gieße, aber ich habe Angst, mit Dir zu sprechen.
Ich möchte Dich nicht dort liegen haben..... und doch weiß ich, daß Du dort bist.
Es ist eine schwere Zeit, Florian.

Der Garten gibt mir ein wenig Ruhe. Ich bin viel im Garten in diesen Tagen, gieße auch dort und zupfe Unkraut, sitze auf der Bank am Wasser und schaue in die Wolken, die schnell vorüberziehen. Es ist ein unbeständiges Wetter. Manchmal ist der Himmel plötzlich schwarz und bevor man sich versieht, scheint wieder die Sonne. Man will sich dort oben im Moment nicht so recht entscheiden. Ich kann gut damit leben, spüre aber auch, daß mir die Sonne besser tut als das Trübe. Dies ist ein gutes Zeichen, wie ich finde. Sonne ist Leben!

Ich fand in meinem PC heute unter meinen privaten Dateien einen Brief, den ich im Anschluß an unseren Urlaub mit Dir 1999 an Elke in München schrieb. Die Erinnerungen waren da noch ganz dicht und dieser Brief ist ein schönes und trauriges Dokument über diese Reise mit Dir. Er brachte Erinnerungen zurück, die ich schon fast vergessen hatte – das Abendessen bei Nolan’s – unser erstes Zusammentreffen mit Eimears Eltern! Ich glaube, Du warst unendlich aufgeregt und hattest sicherlich Angst, wir könnten etwas falsch machen. Du hast uns instruiert, nicht direkt zu sein, das würden die Iren nicht mögen. Ich glaube, wir waren aufgeregter als Du selbst! Es war dann aber ganz ungezwungener Abend, an dem Hans-Jürgen und John über Politik fachsimpelten und Breda Konversation mit mir betrieb – worüber eigentlich? Eimear und Du, Ihr beiden saßt ziemlich steif neben mir auf der Couch.....
Ich glaube, Du warst ganz zufrieden mit uns.
Als wir vorletztes Jahr – zum ersten Mal – wieder im Haus von Eimears Eltern waren, standen dort die Fotos von Dir in silbernen Rahmen… Dass sie Dir so lange die Treue wahren, das hat uns beide tief berührt!
Ach Florian .... ich muß die Bilder wegstecken, es beginnt wieder so zu schmerzen. Ich möchte heute etwas von meiner Kraft behalten.
Gestern ging es mir so schlecht – ich war so völlig perspektivlos und hoffnungslos – schlimmer als in den Tagen davor.....

Schicke mir Sonnenstrahlen, mein Sonnenkind, laß mein Herz erwärmen und halte Deine Hände über mich, ich brauche Dich so sehr!

Deine Mom

Dieses Foto steht im silbernen Rahmen bei Eimears Eltern. Florian trägt die neue Brille und Eimear liebte ihn mit Brille!

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