Freitag, 19. Juni 2009

Buch des Abschieds 15


Mittwoch, den 20. Juni 2001

Florian, mein Sonnensohn,

ein Sommertag, ein Sonnentag und ich liege unter dem Pflaumenbaum im Schatten und weine, ich bin so voller Traurigkeit, so voller Sehnsucht, so voller Hoffnungslosigkeit.
Ich kann nichts ändern an diesen Gefühlen, sie überfallen mich, sie sind so allgegenwärtig,
so allumfassend: Trauer!
Zwischen den hunderten von Bildern, die ich in meinem Kopf trage, hatte ich den
Gedanken, daß es noch nicht einmal die Möglichkeit für uns gibt, etwas an Deinem Tod zu finden, das auch nur den allerkleinsten Trost gäbe: wärst Du krank gewesen, hättest Du gelitten, dann könnte man sagen, daß Du „erlöst“ worden seist von den Schmerzen, von Deinem Leid.... weißt Du, Engel, was ich meine? Aber Du warst nicht krank, Du hattest keine Schmerzen, es gab keinen Grund, Dich zu „erlösen“, Dir Dein schönes und glückliches Leben zu rauben, uns Dich wegzunehmen.... Es gab keinen Grund und deshalb gibt es auch keinen Trost!

So müssen wir die Sinnlosigkeit ertragen, dieses Gefühl der Ohnmacht und der Hilflosigkeit, das mich so überfällt und manchmal fast lähmt. Der Schmerz breitet sich in meinem ganzen Körper und meinem Geist aus. Alles tut weh. Ich habe Sehnsucht nach Dir, ich vermisse Dich unendlich, ich vermisse Dich mit jeder Faser meines Geistes, meiner Seele, meines Herzens.
Dies sind Qualen, denen ich nicht entrinnen kann.... ich muß sie wie Wellen über mich ergehen lassen, mein Kopf dröhnt manchmal und mein Herz scheint zu zerspringen....
Mitten durch mich hindurch geht dieses Schwert – noch 10 Tage hattest Du in diesen unbeschwerten, glücklichen Tagen des letzten Sommers zu leben – 10 Tage, Florian!

Du versuchst, mit Deinen Zeichen zu mir durchzudringen, es ist schwerer geworden, weil meine Verzweiflung so groß ist: gestern schrieb ich mein „I carry you with me“ für Eimear und als ich den Satz schrieb....“...Cause the spirit lives on when the bodies die....“ wurde dieser in einer dickeren Schrift gedruckt, als der übrige Text.... Ich hatte nichts besonderes
getan, als den Text fett drucken lassen - dieser Satz sticht nun deutlich hervor....
Christiane schrieb mir einen Traum, den ich Dir weitergebe.... es ist eine schwere Zeit, Florian, es ist eine so unendlich schwere Zeit....

Christiane’s Traum:
"Ich war irgendwo in der Fremde auf einer abschüssigen Wiese. Es war eine gute lockere Atmosphäre, obwohl ich kaum jemand kannte. Plötzlich sah ich Florian- so im Alter von ungefähr 12 Jahren mit dieser Elvis-Tolle, die er und S.i damals hatten. Und ich war ganz begeistert, ihn zu sehen (ich habe seit seinem Tod ihn nicht mehr lebendig im Traum gesehen)- ich wußte, dass er gestorben war, und wollte Dich schnell holen und Dir Florian zeigen. Ich sah Dich weiter von mir entfernt, auch 10- 20 Jahre jünger. Du hattest noch lange und gelbere Haare und vor allem deine alten Zähne mit Frontlücke. Als ich wieder zu Florian schaute, war er weg, als ob er gar nicht da gewesen wäre, und ich fragte mich schon, ob ich mich getäuscht hätte. Dann aber wurde mir ganz klar -im Traum, aber auch danach- dass er extra gekommen war, einmal um mir zu sagen, dass es Dir nicht gut geht, und zum anderen, um Dir zu sagen, dass er da ist und bei Dir ist."
Also gebe ich Dir seine Botschaft weiter.


Ich bin froh, wenn die Tage möglichst schnell vergehen, ich etwas finde, das meine Aufmerksamkeit ein wenig auf sich lenkt, ich lese viel und ich lese wieder Bücher aus Irland. Irland ist so nah im Moment, Dein Land, Dein Land, in dem Du lebtest, liebtest und das Land, in dem Du starbst.

Ich weiß nicht, wann wir Irland wiedersehen werden. Im Moment hätte ich Angst davor, Angst vor den lebendigen Erinnerungen dort – angst vor dem Ankommen und dem Wissen, dass Du nicht dort stehen wirst, um uns zu begrüßen..... Ich spüre einfach, daß ich mit meinem Schmerz an meinen Grenzen angelangt bin. Mehr geht nicht mehr!

Die Nächte erlösen mich und ich bin dankbar für diese Pausen.

Help me to find some peace, my free spirit

Deine Mom

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